Verflucht, schon wieder ein Werwolf-Film!
21. Juli 2005Im Kino gibt's ihn seit den 1940er Jahren, sein eigentlicher Ursprung liegt sehr viel weiter zurück: Der Mythos vom Werwolf, von Menschen, die sich bevorzugt in Vollmondnächten in reißende, wolfsähnliche Ungeheuer verwandeln, ist alt. So alt, dass schon antike Schriften über die Verwandlung von Menschen in Wölfe berichten. Auch der neue Film erzählt im Prinzip nichts Anderes: Die Geschwister Ellie (Christina Ricci) und Jimmy (Jesse Eisenberg) geraten auf einer nächtlichen Autofahrt in einen Unfall und werden bei dem Versuch, Unfallopfer Becky (Shannon Elizabeth) aus ihrem Wagen zu befreien, von einem haarigen Ungetüm angegriffen. Das reißt Becky buchstäblich in zwei Hälften und verpasst den Geschwistern ein paar Fleischwunden, woraufhin diese zu Werwölfen werden.
Einen frischen Anstrich erhält der alte Plot lediglich durch einige amüsante Szenen: Zum Beispiel, wenn sich Jimmy probeweise wolfsheulend Respekt bei den kläffenden Hunden vor seinem Fenster verschafft. Oder wenn Ellie ungefragt den blutenden Finger ihres Kollegen abschleckt. Auch ein "verwerwolfter" Golden Retriever taucht in dem Streifen auf, dessen Wolfs-Kostüme und -animationen bei Kritikern allerdings eher schlechte Noten bekommen. Warum kommen Filmemacher und Bücherschreiber überhaupt immer wieder auf den Werwolf?
Faszination Werwolf: Angst und Doppelgesichtigkeit
"Die Angst des Menschen vor diesem sehr klugen Jäger Wolf, der nicht nur gemeinschaftlich lebt, sondern auch jagt - aber zugleich dem Menschen immer ausweicht", so beschreibt Elmar Lorey den Grund für die Faszination des Werwolf-Mythos. Lorey hat unter anderem das Buch "Henrich der Werwolf" verfasst, eine sachliche Auseinandersetzung mit historischen Werwolfsprozessen. "So etwas absolut Doppelgesichtiges" hat der Wolf für Uwe Schwagmeier, der an der Universität Oldenburg eine Lehrveranstaltung mit dem Thema "Werwölfe als literarisches Motiv und ästhetisches Konstrukt" gibt: In seiner gezähmten Form als Hund sei der Wolf der beste Freund des Menschen und gleichzeitig habe man in der gleichen Wurzel den, dem man nicht trauen könne. So etwas fasziniert offenbar. Und auch, wenn der Wolf in der Realität ein scheues Tier ist: In der Folklore der Lebensräume, wo Wolfsrudel als Bedrohung angesehen wurden, haben negative Bilder überlebt. Hier sind Werwölfe & Co. auch heute noch Bestandteil des Alltags.
Der "Vîlva Lupilor" im wahren Leben
Zum Beispiel in einem rumänischen Dorf in einem Ausläufer der Karpaten, wo der Historiker und Balkanologe Peter Mario Kreuter einen Werwolf persönlich kennt: "Der Mann kann sich zwar selbst nicht in einen Wolf verwandeln", räumt Kreuter ein, "aber er kann mit den Tieren sprechen und auch Wolfsversammlungen abhalten." Der Rumäne ist ein "Vîlva Lupilor", auf Deutsch ein "Haupt der Wölfe".
Zuvor war er Waldarbeiter, doch eines Tages kam ein älterer Kollege zu ihm und meinte schließlich, "übrigens, ich habe dich beobachtet, du hast eine besondere Gabe: Du wirst Vîlva Lupilor". Als solcher kann er sich nun etwas dazu verdienen, indem er die Wölfe überredet, von den Schafherden der Dorfbewohner fernzubleiben. Die Leute aus dem Dorf glauben übrigens fest an seine besondere Gabe.
Der Werwolf im Film
Vom Reden mit Wölfen sind die Werwolf-Filme in der Regel weit entfernt. Laut Uwe Schwagmeier von der Uni Oldenburg steht hier die Verwandlung vom Menschen zum Werwolf im Vordergrund, die sich mit Spezialeffekten auch besonders aufregend inszenieren lässt. Ebenfalls beliebt sei dabei das eigene Erleben der Fähigkeiten, um die man den Wolf beneide, wie zum Beispiel die geschärften Sinne - die bekommen Ellie und Jimmy in "Verflucht" ja zu spüren. Bemerkenswert sei auch, "dass gerade im Film der Doppelgesichtigkeit des Werwolfes ein stark metaphorischer Charakter innewohnt": Bei "Wolf" mit Jack Nicholson zum Beispiel sei die Doppelgesichtigkeit zwischen Mensch und Wolf eine Metapher für die Midlife-Crisis - einer Phase, in der es oft zu Umbrüchen oder auch Verwandlungen kommt.
Nicht zuletzt werde in den neueren Filmen auch "das Weibliche wieder ausgebuddelt". Denn in der Tradition sei der Werwolf geschlechtslos, also nicht ausschließlich ein Mann. Ob Wes Craven deshalb einen Jungen und ein Mädchen in seinem Film verwerwölfelt? "Wes Craven sollte man nicht unterschätzen, weil er ein literarisch sehr gebildeter Mensch ist", findet Uwe Schwagmeier. Bei seinen Recherchen muss Craven wohl die "Wer-Schweine" überlesen oder überhört haben, die es laut Dr. Kreuter auch geben soll - wäre ja mal eine Abwechslung.