200 Jahre Skat
3. November 2013Schlagartig herrscht Ruhe, wo gerade noch unzählige Unterhaltungen geführt wurden. Es ist Mittwochabend, Punkt 19 Uhr. Skatabend bei den "Wandsbeker Zockern" in Hamburg. Bernd Szymczak eröffnet als Vorstand die Veranstaltung in der Kantine des Studios Hamburg und weist die Spieler jeweils einem Tisch zu. Skat ist zwar ein Kartenspiel. Ein Blick in die Gesichter der Anwesenden genügt aber, um sich klarzumachen: Jetzt wird es ernst! Schnell geht es los. "18, 20, Zwo" reizen sich die Spieler - und haben bald die Umwelt vergessen. Konzentriert schauen sie auf ihr Blatt. Denn Skat ist kein reines Glücksspiel, es kommt auf Taktik und Überlegung an.
"Ein ganzer Arsch"
"Skat kann man nicht lernen. Skat ist eine Begabung", erklärt ein Mitspieler etwas launig. Das Skatspiel - so viel ist klar - verfügt über eine ganz eigene Sprache. Lernen kann man diese aber schon. Eine "Oma" ist ein hervorragendes Blatt, eine "Flöte" besteht aus mindestens vier gleichfarbigen Karten. Und - fast vulgär - ein "ganzer Arsch" bedeutet: viele gute Karten. Ein gutes Blatt hat auch Gudrun Schumacher auf der Hand. Aber das kann sich schnell ändern "Jedes Spiel ist anders", meint sie mit Begeisterung in der Stimme. "Ich bin fasziniert vom Skat." Und das schon ziemlich lange. Mit 83 Jahren ist sie die älteste in der Runde. Aber fast alle Skatspieler im Raum haben bereits graue Haare.
Gudrun Schumacher kennt noch andere Zeiten, als Skat ein Massensport für jedes Alter war. "In meinem Elternhaus wurde schon Skat gespielt." Zunächst guckte die junge Gudrun nur zu. Dafür spielte sie später aber umso mehr. "In einem Kartenkreis mit anderen Ehepaaren", meint Gudrun Schumacher. "Das hatte sich dann aber alles altersmäßig aufgelöst. Dann bin ich vor etwa zehn Jahren hier in den Club eingetreten", um endlich wieder Skatspielen zu können.
Aber auch die "Wandsbeker Zocker" haben Nachwuchssorgen. "Der Club hat 26 Mitglieder", erklärt der Vorstand Bernd Szymczak. Angesprochen auf die vielen ergrauten Köpfe meint er: "Das ist unser Hauptproblem. Egal, wo Sie hingucken. Es gibt sehr wenige junge Skatspieler, kaum Schüler." Einer der jüngsten ist Volker Graubaum, 35 Jahre alt und begeisterter Skatspieler. "Hier hat man am meisten in der eigenen Hand." Im Gegensatz zu anderen Kartenspielen.
"Ein intelligentes Spiel"
200 Jahre Skat wird in diesem Jahr gefeiert. Genau weiß allerdings niemand, wann das Skatspiel erfunden wurde. Irgendwann zwischen 1810 und 1817 entstand das wahrscheinlich deutscheste aller Kartenspiele in der Stadt Altenburg in Thüringen.
Zuverlässig überliefert ist: Am 4. September 1813 trug der Kartenspieler Hans Carl Leopold von der Gabelentz das Wort "Scat" in seine Kladde ein, in der er gewissenhaft seine Verluste und Gewinne im Kartenspiel festhielt. Zu dieser Zeit entwickelten Gabelentz und seine Mitspieler das Skatspiel langsam aus anderen, älteren Spielen. Seitdem war es aus dem Leben der Deutschen nicht mehr wegzudenken. Die Soldaten, die für und gegen Napoleon Bonaparte kämpften, verbreiteten das Spiel im ganzen Land.
Eine abgekühlte Liebe
Und die Deutschen liebten lange Zeit ihr Skat. So sehr, dass der Schriftsteller Kurt Tucholsky Anfang des 20. Jahrhunderts schreiben sollte: "Wenn dem Deutschen so recht wohl ums Herz ist, dann singt er nicht. Dann spielt er Skat." Der Komponist Richard Strauss baute gar eine Skatszene in seine Oper "Intermezzo" von 1924 ein. Und auch Kaiser Wilhelm II. höchst selbst vertrieb sich die Zeit mit dem Skatspiel - genau wie die normalen Soldaten im Ersten Weltkrieg. Nur dass diese anders als ihr Oberbefehlshaber im Schützengraben spielten. Und auch spätere Generationen erfreuten sich noch am Skat. Der Literaturnobelpreisträger Günter Grass spielt es ebenso wie der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Oder sein ehemaliger Parteifreund und -Feind Oskar Lafontaine.
Zwar ist Skat auch heute noch weit verbreitet. 20 Millionen Menschen in Deutschland sollen es beherrschen. Der Deutsche Skatverband musste allerdings mächtig Federn lassen. "1990 hatten wir 35.000 Mitglieder", berichtet Ute Modrow vom Deutschen Skatverband. Heute sind es rund 26.000, davon sehr viele in fortgeschrittenem Alter über 60 Jahre. Junge Skatspieler sind mittlerweile Mangelware. In Skatkreisen macht man die Freizeitkonkurrenz aus Smartphones und Tabletcomputern dafür mitverantwortlich. In der Pause surften Schüler mittlerweile, statt Karten zu spielen. Auch wenn es Internetseiten zum Skatspielen gibt.
Im Internet lässt sich auch ein berühmter Fernsehsketch des verstorbenen Humoristen Loriot bewundern. In einer Kneipe wird er als dritter Mann zum Skatspiel aufgefordert: "Spielen Sie Skat?" Darauf antwortet er wahrheitsgetreu: "Im Moment nicht!". Und spricht später die unter Skatspielern berühmten Worte: "Spielen, richtig verstanden, ist etwas Wunderschönes." Ute Modrow ist verhalten optimistisch: "Es gibt mittlerweile wieder Vereine, in denen das Durchschnittsalter unter fünfzig ist."