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"Wahl in Kambodscha weder frei noch fair"

Gabriel Domínguez30. Juli 2013

Bei der Wahl in Kambodscha hat die Opposition stark zugelegt, trotzdem erkennt sie den Sieg der Regierungspartei nicht an. Es gab zu viele Unregelmäßigkeiten, bestätigt Wahlbeobachter Manfred Hornung.

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Manfred Hornung, Landesdirektor im Büro Kambodscha der Heinrich Böll Stiftung Pressebild: Copyright - Heinrich Böll Stiftung, Undatierte Aufnahme Manfred HORNUNG (Mr.) Country Director, Cambodia Office Heinrich Böll Stiftung - Phnom Penh
Manfred HornungBild: Heinrich Böll Stiftung

Nach dem vorläufigen Ergebnis kam die regierende Kambodschanische Volkspartei (CPP) bei der Parlamentswahl am 28. Juli 2013 nur auf 68 Sitze in der Nationalversammlung - beim letzten Urnengang vor fünf Jahren hatte sie noch 90 erreicht. Die oppositionelle Nationale Rettungspartei (CNRP) sicherte sich 55 (statt bisher 29) der insgesamt 123 Sitze. Oppositionsführer Sam Rainsy verlangte dennoch eine Überprüfung des Wahlergebnisses durch eine unabhängige Untersuchungskommission. Wenn diese feststelle, dass die Wahlen unfair waren, solle es eine neue Abstimmung geben, forderte Rainsy. Er war kurz vor den Wahlen aus dem Exil nach Kambodscha zurückgekehrt, um als Kandidat für die CNRP anzutreten. Die Nationalen Wahlkommission (NEC) hatte ihm jedoch die Teilnahme an der Wahl verboten.

Der deutsche Kambodscha-Experte Manfred Hornung, der im Auftrag der lokalen Nichtregierungsorganisation NICFEC die Wahlen beobachtet hat, spricht im DW-Interview von einer Serie institutioneller und politischer Unregelmäßigkeiten.

DW: Welche zentralen Themen waren wichtig bei dieser Wahl?

Manfred Hornung: Die zentralen Themen, die diese Wahl gekennzeichnet und tausende Menschen dazu bewegt hat, im Wahlkampf auf die Straße zu gehen, sind vielfältig: die allgegenwärtige Korruption im Land, die weit verbreitete Landnahme, das Fehlen von regulären Arbeitsverhältnissen - verschärft durch niedrige Löhne - und die Verweigerung von grundlegenden politischen Freiheiten. Vor den Wahlen hatte die Jugend außerdem über soziale Netzwerke ihren wachsenden Frust ausgedrückt über die parteiische Berichterstattung der Staatsmedien, die ganz klar die Positionen der regierenden CPP begünstigt hatten.

War die Wahl frei und fair?

Das vorläufige Wahlergebnis zeigt einen beträchtlichen Stimmenzuwachs für die Oppositionsbewegung. Aber es gibt eine Vielzahl von Anzeichen dafür, dass diese Wahl alles andere war als frei und fair. Tatsächlich war sie gekennzeichnet durch eine Serie von institutionellen und politischen Unregelmäßigkeiten. Im Zentrum der Kritik stand die Nationale Wahlkommission. Obwohl sie per Gesetz als unparteiischer Wächter über freie und faire Wahlen in Kambodscha wachen soll, galt die NEC schon lange als verlängerter Arm der regierenden CPP.

Im März überprüfte das in Washington beheimatete National Democratic Institute (NDI) zusammen mit zwei kambodschanischen Nichtregierungsorganisationen die Wählerlisten des NEC. Das Ergebnis der Studie war niederschmetternd. Die Autoren fanden heraus, dass etwa 20 Prozent der Wählerregistrierungen fehlerhaft waren. Das öffnete Tür und Tor für weitreichenden Missbrauch des Wahlsystems. Angesichts der Tatsache, dass die CPP die Wahlkommission total dominiert, hatte niemand Zweifel daran, welche Partei am Ende den Nutzen aus diesen Unregelmäßigkeiten ziehen würde.

Am 24. Juli erschien ein Artikel in der Pnomh Penh Post, der auf noch größere mögliche Wahlfälschungen hinwies. Die Zeitung behauptete, dass allein in den Wählerlisten der Hauptstadt Pnomh Penh 145.000 Namen mehr aufgetaucht seien als es wahlberechtigte Personen in der Stadt gebe. Die Pnomh Penh Post stellte diese Überregistrierung in fast allen entscheidenden Provinzen fest. Auch die straffe Kontrolle der CPP über die Staatsmedien und der Einsatz von Beamten und staatlichem Eigentum für die CPP-Wahlkampagne nährten die Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit des Wahlprozesses.

Welche Rolle spielte die Tatsache, dass Oppositionsführer Sam Rainsy nicht an den Wahlen teilnehmen durfte?

Ich glaube, dass die Rückkehr des Oppositionsführers am 19. Juli eine wichtige Rolle gespielt hat, weil sie der CNRP-Kampagne in den letzten Tagen vor der Wahl noch einmal einen starken Auftrieb gegeben hat. Zehntausende Bürger gingen auf die Straße, um ihn zu begrüßen. Es war offensichtlich, dass sogar die Oppositionspartei überrascht war über diesen Willkommensgruß der Massen. Das war sehr symbolisch und ich glaube nicht, dass das Verbot zu wählen oder sich als Kandidat aufstellen zulassen, viel am Ergebnis geändert hat.

Welchen Einfluss kann die Opposition nun ausüben, um einen politischen Wandel herbeizuführen?

Man muss nun zuerst einmal abwarten, bis die vorläufigen Wahlergebnisse bestätigt und akzeptiert werden. Dann eröffnen sich für die CNRP schon einige Möglichkeiten, die Nationalversammlung in etwas mehr als eine Zusammenkunft von Ja-Sagern umzuwandeln. Mit 55 Abgeordneten könnte die Opposition beträchtlich mehr Einfluss im Plenarsaal und in den parlamentarischen Komitees ausüben, um die eigene Agenda vorwärts zu bringen.

Noch wichtiger ist aber, dass die regierende Volkspartei (CPP) ihre komfortable Zweidrittelmehrheit verloren hat. Durch sie konnte die CPP in der vergangenen Legislaturperiode sehr effektiv jegliche Opposition in der Versammlung neutralisieren. Diese Mehrheit hat der Regierungspartei auch die Chance gegeben, die Verfassung nach Belieben zu verändern. Jetzt hat sich das Blatt gewendet.

Die Öffentlichkeit wird aufmerksam verfolgen, ob die Opposition bereit ist, entscheidende soziale Themen auf die Agenda der Parlamentsdebatten zu setzen. Das würde Diskussionen über die Vergabe von Wirtschaftslizenzen ermöglichen und die Frage, ob die Steuern und Abgaben, die durch diese Konzessionen an den Staat zurückfließen, im öffentlichen Interesse genutzt werden. Wenn die Erneuerungspartei ihre Rolle als bürgernahe und themenorientierte Opposition gut ausfüllt, könnte sie die politische Agenda des Landes voranbringen. Und sie könnte möglicherweise die reformwilligen Beamten innerhalb der Regierungspartei zu einer umfassenderen sozialen und wirtschaftlichen Politik bewegen, die die gesellschaftlichen Interessen stärker mit einbezieht.

Welchen Herausforderungen muss sich Kambodscha nun stellen?

In der unmittelbaren Zukunft wird man sehen müssen, wie die beiden Parteien mit diesem unerwarteten Wahlausgang umgehen. Nach der Wahl fürchtet die Bevölkerung den Ausbruch von Unruhen. Opposition und Regierung müssen daher sehr vorsichtig mit ihrer jeweiligen Enttäuschung umgehen, verantwortungsbewusst miteinander reden und ihre Wähler und Unterstützer beruhigen.

Auf lange Sicht hängt die Entwicklung des Landes davon ab, wie beide Seiten ihre zukünftige Rolle in der Gesellschaft und besonders auch im Parlament definieren. Bei den momentanen Ergebnissen wird die Oppositionspartei genug Abgeordnete haben, um der Nationalversammlung ihren Stempel aufzudrücken.

Manfred Hornung ist Leiter des Büros der Bündnis 90/Die Grünen-nahen Heinrich Böll-Stiftung in Pnomh Penh, Kamboscha.

Das Interview führte Gabriel Domínguez.