Wahlkampf-Thema Steuern: Wer fordert was?
19. April 2017Es läuft gut für den deutschen Staat, sogar richtig gut - zumindest finanziell. Die öffentlichen Kassen sind üppig gefüllt. Bund, Länder und Gemeinden nahmen im vergangenen Jahr 23,7 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben. Das robuste Wirtschaftswachstum hat dem deutschen Staat den höchsten Überschuss seit der Wiedervereinigung beschert.
Die Staatseinnahmen sprudeln, auch weil Steuern und Abgaben weit höher sind als in fast allen Ländern der OECD. Für einen Alleinstehenden machen sie 49,4 Prozent seines Arbeitseinkommens aus. Das gilt für Spitzen- wie für Geringverdiener, wie eine neue Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigt. Einzig in Belgien sind die Abgabenlasten höher.
Seit jeher sind Steuern ein Lieblingswahlkampfthema der Deutschen. Kein Wunder also, dass die deutschen Parteien auch in diesem Wahljahr Steuergerechtigkeit als großes Thema identifiziert haben. Steuersenkungen, Abschaffung des Solidaritätszuschlags und massive Umverteilung sind nur einige Ideen. Doch was genau fordert welche Partei? Das sind die Positionen:
CDU/CSU: auf jeden Fall Steuern senken, aber wie viel und für wen?
Die Unionsparteien planen für die nächste Legislaturperiode kräftige Steuerentlastungen. Fest steht: Alle Flügel wollen Steuern senken. Doch über die Höhe wird es bis Ende Juni noch Diskussion geben müssen. Dann wollen CDU und CSU ein gemeinsames Konzept vorlegen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schwebt ein Entlastungsvolumen von rund 15 Milliarden Euro vor. Vor allem mittlere und niedrige Einkommen sollen so entlastet werden. Die Korrekturen sollen aber "begrenzt" sein, so Schäuble.
Der Wirtschaftsflügel der Union verlangt mehr. Carsten Linnemann, Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung, plädiert für 20 bis 30 Millionen Euro steuerlicher Entlastungen.
Und auch die CSU hat eine große Steueroffensive angekündigt: Ihr Vorsitzender Horst Seehofer stellte die "größte Steuersenkung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" in Aussicht - und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags bis 2025.
SPD: Investitionen statt Steuersenkungen
Auch die Sozialdemokraten wollen sich bis Juni auf ihr Steuerkonzept einigen. Für den 25. Juni haben sie ihren Programmparteitag angesetzt; bis dahin ringen sie in Arbeitsgruppen um eine gemeinsame Linie.
Parteichef und Kanzlerkandidat Martin Schulz stellt die Steuersenkungen hinten an, will stattdessen lieber investieren und mehr staatliche Leistungen anbieten, wie etwa Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Uni. Grundsätzlich hat sich Schulz aber für eine stärkere Besteuerung großer Vermögen und eine Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen ausgesprochen.
Sein Vize Thorsten Schäfer-Gümbel verantwortet das Steuerkonzept im Wahlprogramm. Teile des linken Parteiflügels fordern eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer - ein Vorschlag, dem sowohl Schulz als auch Schäfer-Gümbel skeptisch gegenüberstehen.
Grüne: kein Steuerwahlkampf
Anders als noch 2013 hat die Besteuerung als Wahlkampfthema diesmal keine Priorität für die Grünen. Ganz streichen wollen sie steuerpolitische Signale jedoch nicht. "Solide und solidarisch" soll die grüne Steuerpolitik sein.
Reiche mit einem Single-Einkommen von 100.000 Euro sollen, wenn es nach den Grünen geht, in Zukunft mehr zahlen. Mit dieser Besteuerung will die Partei der wachsenden Vermögensungleichheit in Deutschland entgegenwirken. Diskutiert werden weiterhin Erbschafts- und Vermögenssteuer.
Zudem spricht sich die Partei für ein sogenanntes Familien-Budget aus: Das soll Kinder und einkommensschwache Familien beispielsweise mit einer Kindergrundsicherung fördern. Insgesamt sollen einkommensschwache Familien und Alleinerziehende um rund zwölf Milliarden Euro entlastet werden.
Linke: Reichtum umverteilen
Mit der Linken soll es keine Steuersenkungen geben, dafür aber Steuererhöhung für Besserverdienende. "Wir müssen in die Zukunft investieren. Das heißt: Entlastung im unteren Bereich und Belastung an der Spitze", fasst der Fraktionschef der Linken Dietmar Bartsch das Steuerkonzept zusammen.
Demnach sollen Bruttoeinkommen bis zu 7100 Euro monatlich entlastet werden, während für Alleinstehende ab einem Jahresverdienst von 86.000 Euro ein Spitzensteuersatz von 53 Prozent gelten soll. Wer 260.000 Euro und mehr verdient, soll 60 Prozent zahlen, ab einem Jahreseinkommen von einer Million sogar 75 Prozent.
Die zusätzlichen Einnahmen will die Linke investieren: 177 Milliarden Euro in Bildung, Wohnraum, höhere Renten und eine Grundsicherung.
FDP: Steuersenkungen von mindestens 30 Milliarden
Die FDP will vor allem kleinere und mittlere Einkommen entlasten: um etwa 30 Milliarden Euro bis 2021. FDP-Chef Christian Lindner fordert eine "neue Balance" in der Steuerpolitik. Das Verhältnis zwischen Bürger und Staat sei aus dem Gleichgewicht geraten.
Außerdem fordern die Liberalen, eine Belastungsgrenze ins Grundgesetz zu schreiben: Niemand solle mehr als 50 Prozent des Einkommens für Steuern und Sozialabgaben ausgeben müssen. Steuererhöhungen lehnt die FDP grundsätzlich ab - vor allem eine höhere Vermögens- und Erbschaftssteuer.
AfD: Abgabengrenze im Grundgesetz
Eine "Abgabenbremse" im Grundgesetz soll verhindern, "dass Steuern und Abgaben in Zukunft beliebig erhöht werden können", schlägt die AfD in ihrem Entwurf zum Parteiprogramm vor. Die Last für Abgaben und Steuern solle 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen und demnach maximal der heutigen Quote entsprechen.
Die Partei fordert eine grundlegende Steuerreform, bei der "Steuerstufen" das progressive Steuersystem ersetzen sollen. Die Erbschaftssteuer will die AfD ganz abschaffen, denn die Übergabe von Vermögen sei "Privatangelegenheit" und dürfe "nicht dem Staatszugriff ausgesetzt werden".