Wahl erneut verschoben
25. März 2008Es erregt schon fast kein Aufsehen mehr im Libanon, wenn wieder einmal ein Termin für die seit Monaten überfällige Wahl eines neuen Staatspräsidenten verschoben wird. Nach ihrer 17. Vertagung soll die Wahl nun am 22. April stattfinden. Doch kaum jemand nimmt diesen Termin wirklich ernst. Im Gegenteil: Man scheint sich langsam daran zu gewöhnen, dass das Land auch ohne Präsident existieren kann – was noch vor einem halben Jahr schier für unmöglich gehalten wurde. Aus der Dauerkrise könnte sich vielleicht sogar eine Chance auf Erneuerung des politischen Systems im Libanon ergeben.
Streit um Einfluss der Hisbollah
Längst geht es hier um mehr als nur die Wahl eines Staatsoberhauptes: Regierung und Opposition wollen den Oberbefehlshaber der libanesischen Streitkräfte, General Michel Suleiman, zum neuen Präsidenten wählen. Doch dafür ist eine Verfassungsänderung nötig: Ein Militär dürfte nach der gegenwärtigen Verfassung nicht direkt in ein politisches Amt gewählt werden. Um diesen Paragrafen zu ändern, müssten sich aber Regierung und Opposition einigen.
Und obwohl beide dasselbe wollen, gelingt es nicht. Grund ist die mit Syrien sympathisierende Opposition, die quasi durch die Hintertür versucht, die Hisbollah und die Anhänger des christlichen Ex-Generals Michel Aoun wieder in die Regierung zu bringen. Und die wollen dort so stark vertreten sein, dass sie Beschlüsse des Kabinetts jederzeit verhindern könnten. Da dies nicht dem Ergebnis der Parlamentswahlen von 2005 entspricht, lehnt die westlich orientierte Regierung Fuad Sinioras dies ab und die Opposition sabotiert dafür die Präsidentschaftswahl.
Auswirkungen auf die arabische Welt
Der innerlibanesische Streit hat längst Auswirkungen auf die arabische Welt, denn so wie die Opposition von Syrien – und dahinter dem Iran – unterstützt wird, so genießt die Regierung die offene Rückendeckung Saudi-Arabiens, Ägyptens und zahlreicher anderer arabischer Staaten. Die Arabische Liga hat wiederholt versucht, in der Krise zu schlichten. Inzwischen hat Liga-Generalsekretär Amre Moussa aber aufgegeben. Die Konsequenz in Riad und Kairo: Man macht Damaskus verantwortlich für das Scheitern und drohte deswegen sogar mit dem Boykott der am Wochenende in der syrischen Hauptstadt beginnenden Gipfelkonferenz der Arabischen Liga. Saudis und Ägypter wollen nun doch teilnehmen, aber nur mit niederrangigen Delegationen und nicht auf der Ebene von Staatschefs.
Reform des politischen Systems gefordert
Je mehr das innerlibanesische Zerwürfnis seine Auswirkungen auch auf die arabische Welt hat, desto dringlicher wird eine dauerhafte Lösung. Und es nehmen die Stimmen zu, die dafür plädieren, das gesamte libanesische System zu reformieren. Das basiert noch auf den Kompromissen des so genannten Nationalen Paktes aus der französischen Mandatszeit. Danach werden die Ämter des Staates nach einem detaillierten Schlüssel unter den verschiedenen Religionsgruppen des Landes verteilt, was längst nicht mehr die aktuell existierenden Kräfteverhältnisse spiegelt.
So haben die maronitischen Christen weiterhin mehr, die Schiiten aber weniger Rechte und Ansprüche, als ihnen nach ihrem heutigen Bevölkerungsanteil eigentlich zustünden. Um dies zu ändern, müssten ein neues Wahlgesetz verabschiedet, von dem seit Jahrzehnten festgelegten Proporz-System abgerückt und letztlich wohl auch die Rolle des Präsidenten neu definiert werden. Im Jahr 2009 stehen Parlamentswahlen an, und wenn alle Beteiligten eine Lösung wollen, dann könnten sie mit Blick auf diesen Termin beginnen, die Weichen für die nötigen Reformen zu stellen. Der gegenwärtige Streit um die Präsidentschaftswahl schmälert solch eine Hoffnung aber: Die meisten Libanesen sind längst zu dem Schluss gekommen, dass es den Politikern in Wirklichkeit doch nur um die eigenen Interessen gehe, nicht aber die des Libanon.