Weidmann gegen "mehr Brüssel"
19. September 2016"Die übliche Reaktion der EU-Institutionen, Krisen mit 'mehr Brüssel', mehr Integration zu beantworten, verfängt nicht mehr", sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" und den Zeitungen "La Stampa", "The Guardian" und "Le Monde" (Montagsausgaben). "Da eine Politische Union nicht mehrheitsfähig ist, muss die Eigenverantwortung der Mitgliedsländer gestärkt werden." Für viele Bürger habe Europa an Strahlkraft verloren und sei zur Projektionsfläche für die "Schattenseiten von Globalisierung und Migration" geworden, klagte Weidmann.
"Gewisse Sorge"
In dem Interview warnte der Bundesbank-Präsident auch davor, die Europäische Zentralbank (EZB) mit Erwartungen zu überfrachten. "Dies erfüllt mich mit einer gewissen Sorge, denn die EZB kann nicht alle Probleme lösen." Die Zinsen dürften auf keinen Fall länger so niedrig bleiben als es mit Blick auf die Preisstabilität unbedingt erforderlich sei. Die EZB dürfe dabei niemanden schonen. "Mögliche Probleme einzelner Finanzinstitute oder Staatshaushalte dürfen uns nicht davon abhalten, die Geldpolitik zu normalisieren, sobald es geboten ist", betonte Weidmann.
Der 48-Jährige sprach sich auch für eine Abspaltung der Bankenaufsicht von der Europäischen Zentralbank aus. "Der EZB-Rat verantwortet Geldpolitik und Bankenaufsicht", erläuterte er. Hier drohe ein Zielkonflikt: Als Bankenaufseher tue sich der EZB-Rat möglicherweise schwer, eine Bank hart anzufassen oder gar auf eine Abwicklung hinzuwirken, wenn er wisse, dass er aufgrund seiner geldpolitischen Maßnahmen ihr größter Gläubiger sei. "Als Geldpolitiker tue er sich möglicherweise schwer, den Leitzins anzuheben, wenn ihm Probleme, die Banken mit dem Zinsanstieg haben können, als Aufseher auf die Füße fallen."
wa/cgn (afp, rtr, sz)