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Weiter ungeklärt - der Fall Peng Shuai

28. Januar 2022

Bei den Australian Open in Melbourne wurde nicht nur über Tennis diskutiert, sondern auch über das Schicksal der chinesischen Spielerin Peng Shui. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um diesen Fall.

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Peng-Shuai-Aktivist bei einer Demonstration in London im vergangenen Dezember
Peng-Shuai-Aktivist bei einer Demonstration in London im vergangenen DezemberBild: Belinda Jiao/ZUMAPRESS.com/picture alliance

Beim Frauen-Finale der Australian Open zwischen der Australierin Ashleigh Barty und der US-Amerikanerin Danielle Collins, das die Lokalmatadorin gewann, trugen einige Zuschauende weiße T-Shirts mit der Aufschrift: "Where is Peng Shuai?" (Wo ist Peng Shuai?). Australische Aktivisten hatten 1000 dieser T-Shirts drucken lassen und kostenlos verteilt. Sie wollten auf den weiter ungeklärten Fall der chinesischen Tennisspielerin aufmerksam machen. 

Wer ist Peng Shuai?

Die 36 Jahre alte Peng Shuai galt bislang als chinesische Vorzeige-Tennisspielerin, in deren Glanz sich auch die kommunistische Führung in Peking gerne sonnte. 2013 gewann sie mit ihrer Doppelpartnerin Hsieh Su-wei aus Taiwan das Grand-Slam-Turnier in Wimbledon und das Saisonabschlussturnier, die WTA-Championships in Istanbul. 2014 siegten die beiden auch bei den French Open in Paris, einem weiteren Grand-Slam-Turnier. 20 Wochen lang stand Peng Shuai an der Spitze der Doppel-Weltrangliste.

Peng Shuai (l.) bei den Australian Open 2017 mit ihrer tschechischen Doppelpartnerin Andrea Hlavackova
Peng Shuai (l.) bei den Australian Open 2017 mit ihrer tschechischen Doppelpartnerin Andrea HlavackovaBild: Dita Alangkara/AP/picture alliance

Die Chinesin trat auch mit anderen Partnerinnen im Doppel an, unter anderem mit der Tschechin Andrea Sestini Hlavackova und der Deutschen Laura Siegemund. Insgesamt feierte Peng bei WTA-Turnieren 23 Turniersiege im Doppel und zwei im Einzel. Letztmals im Einsatz war sie bei den Qatar Open 2020.

Wie begann die Affäre um sie?

Auf der chinesischen Social-Media-Plattform Weibo beschuldigte die 35-Jährige am 2. November den früheren chinesischen Vizepremier Zhang Gaoli, sexuell übergriffig geworden zu sein. Nachdem sie vor zehn Jahren vorübergehend eine Affäre gehabt hätten habe Zhang sie 2018 in seiner Wohnung gegen ihren Willen zum Sex zwingen wollen, schrieb Peng: "Ich kann nicht beschreiben wie angewidert ich war und wie oft ich mich gefragt habe, ob ich noch ein Mensch bin. Ich fühle mich wie eine wandelnde Leiche." Der Post wurde wenig später gelöscht. Suchanfragen nach Peng Shuai auf Weibo brachten keine relevanten Ergebnisse mehr. Diskussionen zum Thema wurden blockiert. Danach verlor sich die Spur der Tennisspielerin für rund zwei Wochen.

Wie wurde die Welt außerhalb Chinas auf den Fall aufmerksam?

Die französische Profispielerin Alizé Cornet rief Mitte November auf Twitter unter dem Hashtag #WhereIsPengShuai (Wo ist Peng Shuai) dazu auf, sich für die Chinesin einzusetzen: "Wir sollten nicht schweigen." Die Tennisszene war alarmiert. Auch die früheren Superstars Chris Evert und Billie Jean King äußerten sich besorgt über das Schicksal Pengs. 

Wann tauchte Peng wieder auf?

Zunächst veröffentlichten die chinesischen Staatsmedien eine angeblich von ihr selbst verfasste Email an WTA-Chef Steve Simon, in der es hieß: "Ich ruhe mich einfach nur zu Hause aus, und alles ist gut." Anschließend zeigten die Staatsmedien Videos, in denen die Tennisspielerin zu sehen war: in einem Restaurant, bei einem Jugend-Tennisturner. Dann führte Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), am 21. November ein Videotelefonat mit Peng - im Beisein des chinesischen IOC-Mitglieds Li Lingwei. "Sie schien entspannt zu sein", sagte Emma Terho, die Vorsitzende der IOC-Athletenkommission, die ebenfalls bei der Videoschalte dabei war.

Mitte Dezember äußerte sich Peng Shuai vor laufender Videokamera gegenüber einer Reporterin aus Singapur. Bei einigen kritischen Nachfragen wirkte sie angespannt. Peng sprach von "vielen Missverständnissen". Sie sei immer frei gewesen.

Zeitungs-Internetseite zaobao.com.sg mit Peng-Shuai-Video
Peng-Video auf Lianhe-Zaobao-Internetseite: "Wie war die Frage?"Bild: zaobao.com.sg

Die Besorgnis um sie außerhalb Chinas konnte auch dieser Auftritt nicht zerstreuen. Der Weltverband WTA hat wegen des aus seiner Sicht ungeklärten Schicksals Pengs alle geplanten Turniere in China und Hongkong bis auf Weiteres ausgesetzt.

Welche Rolle spielt das IOC?

Das IOC ist offenkundig darum bemüht, im Vorfeld der Winterspiele in Peking (4. bis 20. Februar), die wegen der Menschenrechtsverletzungen in China ohnehin umstritten sind, die Wogen im Fall Peng Shuai zu glätten. Kritiker des IOC sehen darin einen weiteren Beleg dafür, dass sich die olympische Organisation von den Machthabern in Peking instrumentalisieren lasse. Das IOC entgegnet, man setze - nicht nur in diesem Fall - auf "stille Diplomatie". Nach dem ersten Videotelefonat Thomas Bachs mit Peng habe es weitere Gespräche mit ihr gegeben. Während der Spiele in Peking sei ein persönliches Treffen Bachs mit der Tennisspielerin geplant, ließ das IOC wissen. 

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter