Die Afrikanische Schweinepest aufhalten
15. Januar 2018Die Afrikanische Schweinepest (ASP) breitet sich seit Jahren über Osteuropa aus und rückt Deutschland immer näher. Knapp 24.000 Schweinezüchter und Mastbetriebe sind alarmiert. Zwar kann die Tierseuche dem Menschen nichts anhaben. Überträgt sich aber der hartnäckige Erreger vom wilden Tier auf nur ein einziges der 25 Millionen Hausschweine, müssen auf dem betroffenen Hof alle Tiere getötet werden.
Außerdem befürchten Deutschlands Landwirte Restriktionen beim Export von Schweinefleisch und somit einen massiven Preisverfall. "Die volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen eines Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest sind kaum vorstellbar", äußerte sich DBV-Vizepräsident Werner Schwarz: "Bereits das Auftreten im Wildschweinbestand würde bedeuten, dass kein Schweinefleisch mehr in Drittländer, also in Länder außerhalb der EU, exportiert werden kann." Die Schweinebauern hoffen auf die Politik, die Jagd auf die Borstentiere auszuweiten. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) plant einen nationalen Krisengipfel zur ASP. Ziel soll es sein, Maßnahmen gegen eine Ausbreitung der Tierseuche zu erörtern.
Zu viel Nahrung - zu milde Winter
"Die Anbaumethoden der Landwirte sind teilweise schuld an der Misere", sagt Wildschwein-Experte Norbert Happ.
Als Revierförster im Kottenforst bei Bonn hat er das Verhalten der höchst intelligenten Wildtiere 37 Jahre lang studiert. 50 Tiere gehörten zu seinem Bestand. "Die Population war früher schon so groß, dass die Tiere auf den umliegenden Feldern nach Nahrung suchten und dort Schäden anrichteten. Doch heute werden aus einem Wildschwein im Laufe des Jahres vier - durch die starke Vermehrung", hat Happ beobachtet. Nach dem Vorbild des DDR-Forschers Heinz Meynhardt begann er, die Tiere im Wald zu füttern, damit diese nicht mehr die Felder aufsuchen. Das funktionierte. Er habe sie mit ganz wenig Winterkorn, also Abfällen, abgehalten, ins Feld zu ziehen, erinnert er sich. Am nächsten Tag warteten die Tiere bereits auf den Förster. "Die Wildfütterung ist inzwischen verboten. Ich bin auch gegen diese Art der Futterzuführung, doch sie diente dazu, die Schäden außerhalb des Waldes zu vermeiden."
Immerhungrige Allesfresser
Diese Strategie funktioniere, solange die Wildschweine von einer alten Mutter geführt werden. "Wildschweine sind matriarchalisch ausgerichtete Tiergruppen. Es herrscht absolute Diktatur. Über olfaktorische Mechanismen wird die Paarungszeit bestimmt. Die Frischlinge einer Familie kommen somit alle zur gleichen Zeit zur Welt und genießen den absoluten Schutz der Alten", berichtet Happ.
Seine Beobachtungen hat er in einem Buch niedergeschrieben, das als Standardwerk für Jäger und Förster gilt. "Die Wildschweine finden extrem gute Ernährungsgrundlagen durch die Ausweitung von Maisfeldern und den vermehrten Rapsanbau." Mais und Raps werden als Futterpflanze beziehungsweise zur Herstellung von Öl und Energie in Biogasanlagen großflächig angebaut. Die riesigen Felder dienen den Säugern als Wohnung und Futterplatz gleichermaßen, so Happ. "Durch Düngerzugaben gibt es hohe Erträge. Wenn sich die Wildschweine dann im Winter in den Wald zurückziehen, sind sie üppig genährt. Hier verzehren sie dann zusätzlich Waldfrüchte wie Eicheln und Bucheckern. Wenn dann auf den Feldern noch Zwischenfrüchte angebaut werden, die so hoch sind, das sich die Tiere darin verstecken können, wechseln sie wieder ihren Standort."
Die Borstentiere gehören zu den Allesfressern, ernähren sich von Wurzeln, Laub, Pilzen, Würmern, Mäusen, Schnecken, Aas, Eicheln und Bucheckern. "Je mehr Nahrung sie aufnehmen, desto stärker vermehren sie sich", weiß Happ. Die Ursachen für den Zusammenhang zwischen Nahrungsaufnahme und Fortpflanzung seien jedoch wissenschaftlich noch nicht ausreichend erforscht, fügt der Schwarzwild-Kenner hinzu.
Wildschweine als Gewinner des Klimawandels
Noch massiver als die Landwirtschaft seien die Auswirkungen des Klimawandels für die Vermehrung des Schwarzwildes verantwortlich: "Das Nahrungsangebot ist in milden Wintern größer als in strengen. Und es gibt keine nassen, kalten Frühjahre mehr. In meiner Jugend überlebte mitunter eines von sechs jungen Wildschweinen. Die anderen verhungerten, erfroren oder gingen ein, weil sie gleichzeitig Kälte und Nässe nicht standhalten können."
Wölfe und Bären gehören zu den natürlichen Feinden der Wildschweine. Da es hierzulande an diesen Fressfeinden fehlt und die Erderwärmung die Bedingungen zur Ausbreitung begünstigt, kann nur eine Bejagung den Bestand dezimieren. Doch die bis zu 150 Kilogramm schweren Tiere, die starke Verwüstungen in Wald, Flur und zunehmend auch in Wohngebieten anrichten können, sind äußerst clever. "Die erfahrenen Leitbachen lernen, die Mitglieder der Lebensgemeinschaft nicht mehr dorthin zu führen, wo einmal Gefahr drohte", weiß der ehemalige Revierförster Norbert Happ.
Wildschweine können außerdem sehr gut schwimmen und sind imstande, längere Strecke zurückzulegen. Außerdem besitzen die Tiere einen hervorragenden Geruchssinn. Sie finden in Feldern Deckung, sind nachtaktiv , wenn Jägern die Sicht fehlt. Nach Happs Ansicht müssen unbedingt die Jungen geschossen werden, damit die Alten lernen, dem Ort der Jagd fernzubleiben. Im Wald könne der Jäger die Tiere besser ausfindig machen als im hochgewachsenen Feld.
Schwierige Jagd
"Es gibt ein Programm zur Gliederung von Feldflächen. Auf 15 bis 20 Meter breiten Blühstreifen wird kleinwüchsiger Klee gepflanzt, der Wildschweine als Futter dient und diese anlocken soll. Von Hochsitzen aus am Rande der Felder könnten die Tiere so einfach geschossen werden", nennt Norbert Happ eine Lösungsmöglichkeit mit einer Einschränkung: "Wildschweine sind sehr soziale und fürsorgliche Tiere. Bekommt die Leitbache, das weibliche Leittier, mit, dass ein Junges fehlt, wird sie die Rotte für lange Zeit, wenn nicht sogar für immer, nicht mehr in dieses Gebiet führen.
Und umzingelt eine Hundemeute bei der Jagd eine Rotte, greifen die Wildschweine instinktiv den Jäger an, in dem Wissen, dass dies der gefährlichere Feind ist." Happ plädiert dafür, den intakten Lebensraum der Wildschwein-Familien zu erhalten und ihnen ein artgerechtes Leben zu ermöglichen.
Die Macht der Leitbache
Mit seiner Ansicht steht er im Konflikt mit der aktuellen Gesetzgebung, die die Freigabe zur Tötung aller Alters- und Geschlechtsklassen erlaubt. Happ weiß, dass durch die Vorgabe Familienstrukturen zerstört werden. "Ältere Bachen haben sogar einen Einfluss auf das Reproduktionsverhalten. Jüngere werden erst dann - quasi auf Kommando - geschlechtsreif, wenn die Leitbache ihren Brunftgeruch produziert. Werden die alte Bachen erlegt, können die Jüngeren früher geschlechtsreif werden. Das ist für den erfahrenen ehemaligen Forstbeamten der Grund dafür, ausschließlich Jungtiere zu bejagen.
Der Mensch ist schuld an der Übertragung der Afrikanischen Schweinepest
Einerseits wollen Behörden den Bestand eindämmen, andererseits die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest verhindern. Die von ASP betroffenen Schweine bekommen hohes Fieber, werden bewegungsunfähig, sterben bald. Doch die Erreger leben weiter. Die widerstandsfähigen Viren bleiben an Kleidung, Schuhen, Fahrzeugen kleben, werden von Berufskraftfahrern, Touristen und Erntearbeitern aus Osteuropa eingeschleppt. Sogar in verarbeiteten Wurstwaren und Tiefkühlkost bleiben die Viren über Monate ansteckend.
Wildzäune sollen helfen, die Ausbreitung der Tiere zu verhindern, nicht umstürzbare Abfallkörbe sollen täglich geleert werden. "Das wichtigste aber ist, Reisende aus Osteuropa auf mitgebrachte Wurstwaren hin zu kontrollieren, sie darauf hinzuweisen, nichts wegzuwerfen, Touristen müssten ihre Kleidung säubern", fordert Norbert Happ. Gleichzeitig warnt er vor Aktionismus und davor, den Abschuss unkontrolliert zu forcieren.