Wofür die Kandidaten stehen
6. Dezember 2018Es ist mit Abstand die bislang spannendste Wahl eines CDU-Vorsitzenden. Die drei aussichtsreichsten Kandidaten - alle aus dem Westen Deutschlands - präsentieren sich in ihren öffentlichen Auftritten vor der Wahl als Allrounder mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Bei Merz, 63 Jahre alt, dominieren wirtschaftspolitische und konservative Akzente, bei Kramp-Karrenbauer (56) die sozialpolitische Ausrichtung sowie das klassische "C" (das Christliche) bei ethischen Themen, Spahn (38) steht für die nationalkonservative Traditionslinie der Partei. Ein Blick auf politische Großthemen:
Außen- und Verteidigungspolitik
Von allen drei versucht vor allem Merz die großen Linien. Er spricht die schwieriger gewordenen Beziehungen zu den USA an, ebenso die Entwicklung in China. Kramp-Karrenbauer bleibt bei diesen Fragen abstrakter. Sie betont die Bedeutung von Grundwerten, die die CDU angesichts eines wachsenden Populismus weltweit zu verteidigen habe. Spahn hält sich eher zurück.
Kritik an Russland angesichts des Vorgehens gegen die Ukraine und der Eskalation im Asowsches Meer kam bei allen drei erst spät. Merz stellte die im Bau befindliche Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 in Frage, die russisches Gas direkt nach Deutschland bringen soll. Dem folgte Spahn. Kramp-Karrenbauer blieb zurückhaltender, der Bau sei wohl nicht mehr zu verhindern.
Mit Blick auf die Bundeswehr beklagen alle drei deren schlechte Ausstattung und fordern mehr gesellschaftlichen Rückhalt für die Truppe. Auch die Entfremdung von Russland zeige die Notwendigkeit einer stärkeren deutschen oder europäischen Armee.
Europapolitik
Alle drei betonen die wachsende Bedeutung Europas angesichts der weltpolitischen Veränderungen und Herausforderungen. Dabei nennen sie auch die Verpflichtung, bei der Europawahl im Mai 2019 die CDU zu einem besseren Ergebnis als bei den aktuellen Umfragen zu führen.
Die Saarländerin, auch AKK genannt, die häufig auf ihre Herkunft aus einer Grenzregion verweist, warnt vor Hürden für grenzüberschreitenden Handel und Verkehr. Merz, der einzige der drei, der auch mal Abgeordneter im Europäischen Parlament war, plädiert am offensivsten für eine weitere europäische Integration. Er hält es für notwendig, dass sich Deutschland in Europa stärker finanziell einbringt. Spahn zeigt sich deutlich skeptischer als Kramp-Karrenbauer und Merz.
Flüchtlingspolitik
Das Reizthema in Deutschland bleibt für viele die Flüchtlingspolitik. Spahn pocht auf einen konsequenten Kurswechsel und will die sogenannte Obergrenze und den Familiennachzug weiter reduzieren. Merz lobt die Aufnahme der Flüchtlinge in den ersten Septembertagen 2015, kritisierte aber, dass danach die Grenzen offengehalten wurden. Vor rund zwei Wochen verschärfte er seine Kritik und stellte Grundzüge des deutschen Asylrechts in Frage. Kramp-Karrenbauer verteidigt die Aufnahme so vieler Flüchtlinge, sagte aber gleichfalls, der Herbst 2015 dürfe sich nicht wiederholen. Alle drei plädieren für eine striktere Abschiebepraxis.
Migrationspakt
Die Debatte um den UN-Migrationspakt gewann zuletzt innerhalb der CDU mächtig an Fahrt. Jens Spahn fordert eine Debatte darüber auf dem Bundesparteitag und verweist auf das Freihandelsabkommen TTIP, das wegen mangelnder Transparenz in Deutschland gescheitert sei. Merz argumentiert sehr ähnlich. Kramp-Karrenbauer betont, dass das Thema bereits in diversen Formen diskutiert worden sei und dass das vor allem von Rechtspopulisten kritisierte Abkommen auf der Tagesordnung des Parteitages stehe.
Soziales
Spahn ist Gesundheitsminister. Er ist bei den sozialpolitischen Themen, wie Gesundheitspolitik und Pflege, am stärksten. Das gilt auch für die bessere Ausbildung von Pflegekräften und die Integration ausländischen Personals. Mit Blick auf Arbeitsmarkt und Integration betont Merz, Deutschland sei längst ein "Einwanderungsland" (ein Wort, das bei der CDU lange verpönt war).
Themenübergreifend gilt: Die Bedeutung einer starken Volkspartei CDU für den sozialen Zusammenhalt, und die Bedeutung des sozialen Zusammenhalts für die CDU stellt am häufigsten und am deutlichsten Kramp-Karrenbauer heraus. Sie spricht oft über soziale Themen wie die schwierige Lage auf dem Wohnungsmarkt.
Finanzen
Einmütig plädieren die drei Kandidaten für die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Ein Thema, bei dem Spahn rhetorisch immer wieder punkten kann. Bei der Einführung des "Soli" sei er neun Jahre alt gewesen. Nun sei er 38 – da werde es allmählich Zeit. Merz fordert, zum Teil unkonkret, eine weitergehende Steuerreform.
Das Verhältnis zu Merkel
Merz betonte gerade zu Beginn seines Werbezuges, er sei versöhnt mit Merkel und werde sie als Regierungschefin respektieren. Gleichzeitig setzt er sich bei Sachthemen immer wieder von Merkel ab. Spahn, der mit Merkel am Kabinettstisch sitzt, pflegt das ähnlich, betont aber in seinem Fachbereich Gesundheitspolitik Merkels Unterstützung. Kramp-Karrenbauer warnt davor, die Bedeutung Merkels für die CDU und für den Verbleib als "Volkspartei" zu unterschätzen.