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Zehn Jahre König Abdullah - ein Nachruf

Andreas Gorzewski23. Januar 2015

Der saudische König Abdullah versuchte, sein Land vorsichtig auf Veränderungen einzustellen und legte sich sogar mit den wahhabitischen Islam-Gelehrten an. Doch allzu große Reformen wagte er nicht.

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Der saudische König Abdullah bin Abdul Aziz al-Saud (Foto: HASSAN AMMAR/AFP/Getty Images)
Bild: Hassan Ammar/AFP/Getty Images

Veränderungen sind im erzkonservativen Saudi-Arabien nur im Zeitlupen-Tempo möglich. Das wusste auch König Abdullah, der vorsichtig an einigen gesellschaftlichen und politischen Stellschrauben in seiner Heimat drehte. Radikale Reformen wagte der greise Herrscher bis zu seinem Tod am 23. Januar 2015 jedoch nicht.

Abdullah ibn Abdulasis al-Saud war der sechste König seit der Gründung der saudischen Monarchie. Er gehörte aber noch zur zweiten Generation des Königshauses. Das hing mit der eigenwilligen Thronfolgeregelung in dem riesigen Wüstenstaat zusammen: Der Thron wird nicht vom Vater auf den Sohn vererbt, sondern unter den Brüdern des 1953 verstorbenen Staatsgründers Abdulasis ibn Saud. Dieser hatte mehr als drei Dutzend Söhne. Als Abdullah bei seiner Thronbesteigung 2005 den Treueschwur seiner Untertanen entgegennahm, war er schon über 80 Jahre alt.

Abdullah wuchs am Königshof auf, wo er eine traditionelle islamische Erziehung erhielt. Wie viele andere Prinzen wurde er mit öffentlichen Aufgaben betraut. 1962 übernahm er das Kommando über die Nationalgarde. Später wurde er zweiter und schließlich erster Vize-Regierungschef. In der absoluten saudischen Monarchie ist der König zugleich Premierminister, der Kronprinz ist jeweils Vize-Premier. Als sein Halbbruder und Amtsvorgänger König Fahd wegen einer schweren Erkrankung amtsunfähig wurde, übernahm Abdullah 1996 de facto die Regierungsgeschäfte.

Saudi Arabien Kronprinz Abdullah Ibn Abdel Aziz im Jahr 1998 als Kronprinz von König Fahd (Foto: RABIH MOGHRABI/AFP/Getty Images)
Saudi Arabien Kronprinz Abdullah Ibn Abdel Aziz im Jahr 1998 als Kronprinz von König FahdBild: Rabih Moghrabi/AFP/Getty Images

Regionale Vormachtrolle angestrebt

Außenpolitisch setzte König Abdullah das regionale Vormachtstreben seines Landes fort. Dabei versuchte er vor allem, die konkurrierenden Machtansprüche Irans einzudämmen. Das wurde auch im syrischen Bürgerkrieg deutlich. Riad unterstützte die Rebellen gegen den syrischen Präsident Baschar al-Assad, um das pro-iranische Regime in Damaskus zu stürzen und Teheran dadurch zu schwächen.

Als saudischer König war Abdullah auch "Hüter der beiden heiligen Moscheen". Das Land beherbergt mit Mekka und Medina die beiden wichtigsten Orte des Islam. Jährlich pilgern Millionen Muslime aus aller Welt nach Mekka. Dadurch haben die Herrscher, die das islamische Glaubensbekenntnis in der grünen Flagge ihres Staates führen, eine besondere Rolle im Islam.

Der Glockenturm und die Kaaba in der Großen Moschee in Mekka (Foto: FAYEZ NURELDINE/AFP/Getty Images)
Einer der beiden wichtigste Orte des Islam: Die Kaaba in der Großen Moschee in MekkaBild: AFP/Getty Images

Eine Sonderposition haben die Saudis aber auch, weil sie den Wahhabismus als sehr rigorose Auslegung des Islam fördern. Staat, reiche Privatpersonen und halboffizielle Stiftungen exportieren die kompromisslose Spielart der Religion mit großem Aufwand in andere Länder. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde dem Königreich vorgeworfen, den islamischen Radikalismus weltweit zu fördern. Im Inland erhielten die Wahhabiten den Zugriff auf die öffentliche Moral sowie das Justiz- und Bildungssystem. Selbst kleinste Reformen konnten auf heftige Gegenwehr der ultrakonservativen Religionsvertreter stoßen. Deshalb tauschte Abdullah mehrere Widersacher seiner Reformen aus.

Erstmals Frau ins Kabinett berufen

Auf Kritik war unter anderem die vorsichtige Frauenförderung gestoßen. Nachdem die saudischen Männer das kommunale Wahlrecht erhielten, sollten auch Frauen ab 2015 auf lokaler Ebene ihre Stimme abgeben können. Abdullah berief 2009 außerdem zum ersten Mal eine Frau in die Regierung. Die stellvertretende Erziehungsministerin war für die Frauen in dem nach Geschlechtern getrennten Bildungssystem zuständig. Auch die beratende Versammlung des Landes - Schura-Rat genannt - öffnete Abdullah für weibliche Mitglieder. Dabei fand er für Kritiker deutliche Worte: "Eine ausgeglichene Modernisierung ist eine wichtige Aufforderung, die unseren islamischen Werten entspricht. In unserer Zeit gibt es keinen Platz für Waschlappen und Zögernde." Allzu weit gingen die Veränderungen allerdings nicht. Frauen durften auch unter seiner Regenschaft nicht Auto fahren. Saudi-Arabien bleibt damit das einzige Land der Welt, das Frauen nicht ans Steuer lässt.

Auch bedeuteten seine Reformen keine Einschränkung der absoluten Machtbefugnisse des Monarchen. Die beratende Versammlung hatte kaum Kompetenzen. Politische Parteien waren verboten. Kritik am Königshaus und am Islam waren tabu. Forderungen nach weiter gehenden Reformen wurden als Gefährdung der Staatsordnung verfolgt, Kritiker hart bestraft - wie beispielsweise der Blogger Raif Badawi, der im vergangenen Jahr zu zehn Jahren Haft und 1000 Stockschlägen verurteilt worden war.

Der Schura-Rat, die beratende Versammlung des saudischen Königs (Foto: dpa)
Der Schura-Rat blieb auch unter König Abdullah machtlosBild: picture alliance/dpa

Die Umwälzungen des Arabischen Frühlings waren in Saudi-Arabien kaum zu spüren. Proteste gegen Missstände wie die Vetternwirtschaft und die Korruption im Königreich wurden sofort mit massiver Polizeigewalt unterbunden. Saudische Truppen rückten sogar in den Nachbarstaat Bahrain ein, um das dortige Königshaus vor aufgebrachten Demonstranten zu schützen. Damit sollte ein Überspringen der Unzufriedenheit auf den eigenen Staat verhindert werden. Letztlich ging es Abdullah wie seinen Vorgängern an erster Stelle um den Erhalt der eigenen Dynastie.