Kaum Aussicht auf Frieden
20. Juli 2014Es soll ein Versöhnungsforum werden, mit dem Ziel, einen Waffenstillstand zwischen den verfeindeten Séléka- und Anti-Balaka-Milizen auszuhandeln. Ab Montag (21.07.2014) sollen Vertreter beider Seiten dafür in Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo, zusammenkommen. Soweit die Theorie. Kaum stand der Austragungsort fest, drohten zivilgesellschaftliche Vertreter bereits damit, die Verhandlungen zu boykottieren. "Die politischen und religiösen Führer finden es unangebracht, die Probleme der Zentralafrikanischen Republik in Brazzaville zu lösen", heißt es in einer Erklärung.
Und auch der Séléka könnte es Schwierigkeiten bereiten, die Gespräche außer Landes zu führen: Sie hatte erst am vergangenen Samstag (12.07.2014) Michel Djotodia zurück an ihre Spitze gewählt. Er war es, der als Anführer der überwiegend muslimischen Séléka im März 2013 den damaligen Präsidenten François Bozizé stürzte und sich selbst zum Staatsoberhaupt ernannte. Das Land versank daraufhin in Chaos und Gewalt. Offiziell löste Djotodia die Séléka auf, inoffiziell verbreitete sie weiter Angst und Terror. Als Gegenreaktion bildeten sich die überwiegend christlichen Anti-Balaka-Bürgerwehren, die seitdem ebenso brutal Jagd auf Muslime machen. Im Dezember 2013 drängten tschadische Vermittler Djotodia zum Rücktritt, er setze sich ins westafrikanische Benin ab. Zu den Verhandlungen in Brazzaville ist er nicht eingeladen und auch sein ebenfalls wiederernannter Stellvertreter darf aufgrund von UN-Sanktionen nicht reisen. Die Séléka will nun andere Vertreter schicken.
Ein großer Friedensschluss reicht nicht
Die Séléka scheint den Gesprächen ohnehin nicht sonderlich viel Bedeutung beizumessen: "Wir führen Gespräche mit Anti-Balaka, aber wir verhandeln nicht. Wir stellen Forderungen", sagte jüngst der Anführer der Séléka-Fraktion in der Hauptstadt Bangui, Abdoulaye Issène, der Nachrichtenagentur dpa. Und selbst wenn es trotz all dieser Unwegsamkeiten in Brazzaville zu einer Einigung kommen sollte - für die meisten Menschen in der Zentralafrikanischen Republik wird dies kaum etwas ändern, glaubt Andreas Mehler, Direktor des GIGA Instituts für Afrika-Studien in Hamburg: "Wir haben auf beiden Seiten keine durchstrukturieren Organisationen mit klaren Hierarchien, wo Befehle von ganz oben dann auch ankämen und befolgt würden." Vielmehr seien deshalb statt eines großen Friedensschlusses viele kleine Friedensschlüsse in den einzelnen Regionen notwendig - gepaart mit größeren Entwaffnungsaktionen. "Mit diesem einen Stück Papier ist es nicht getan."
Das mögliche Waffenstillstandsabkommen von Brazzaville habe vor allem eine formelle Bedeutung, so Mehler, sei es für Mandate internationaler Friedenstruppen oder für Entwicklungsprojekte. Weitere Hilfe ist in der Zentralafrikanischen Republik dringend notwendig: Fast alle der 4,6 Millionen Einwohner brauchen der UN zufolge mittlerweile humanitäre Hilfe. Bisher sind seit Dezember 2012 mehrere tausend Menschen getötet worden. Mehr als eine Million Menschen flohen oder wurden vertrieben. Die seit Januar 2014 amtierende Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza scheint machtlos.
Hoffen auf internationale Truppen
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtet, dass sich die Gewalt weiter ostwärts ausbreitet und auf neue Gebiete übergreift. "Die Gräueltaten passieren in abgelegenen Dörfern, wo die internationalen Truppen nicht hinkommen", sagt Jean-Marie Fardeau, Leiter des französischen HRW-Büros. Seine Hoffnungen richten sich auf die 12.000 UN-Soldaten, die ab September die afrikanischen Friedenstruppen ablösen sollen.
Rund 6500 afrikanische, 2000 französische und 700 andere europäische Soldaten der UN sind momentan im Land. Auch die EU hatte angekündigt, 1000 Uniformierte zu schicken. Doch die 22 Entsendestaaten zögern mit der Bereitstellung ihrer Soldaten. Statt länger zu warten, hat die EU den Einsatz inzwischen auf 777 Personen reduziert - 122 von ihnen sollen Zentralafrika aber gar nicht betreten, sondern werden im Stabsquartier in der griechischen Hafenstadt Larisa stationiert bleiben, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt. Die deutsche Bundeswehr entsendet genau vier Soldaten nach Bangui. "Wir können nicht zur Seite schauen, wenn Mord und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind, schon allein aus humanitären Gründen", hatte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen noch im Januar mit Blick auf Zentralafrika gesagt. Deutschland müsse im Rahmen der Bündnisse mehr internationale Verantwortung übernehmen.
"Die Zahlen sind nicht sehr überzeugend - das ist wirklich höchstens symbolisch", kommentiert GIGA-Experte Mehler. Er warnt: Wenn die Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik nicht bald eingedämmt wird, könnte das Konsequenzen für die gesamte Region haben: "Wir haben die Aussicht darauf, dass sich der Gürtel von Staaten und Territorien erweitert, in denen wenig Kontrolle herrscht. Ich bin mir nicht sicher, dass man das so schnell runterreden kann."