Zum Finale besucht Joachim Gauck Japan
11. November 2016Nun also das ostasiatische Land, das so vieles gemeinsam hat mit Deutschland: führende Industrienation, Exportland, schnell alternde Bevölkerung, eine lebendige Zivilgesellschaft, aber auch die Schatten der Vergangenheit. Und seit diesem 9. November die Ungewissheit über den wichtigen Partner USA: Wie wird es unter US-Präsident Trump? Bei der Visite von Joachim Gauck vom 13.-18. November werden wohl all diese Themen zur Sprache kommen, heißt es aus dem Präsidialamt.
Dem 76-jährigen Staatsoberhaupt und seiner mitreisenden Lebenspartnerin, Daniela Schadt, rollt Japan den ganzen großen roten Teppich aus. Er trifft den konservativen japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe, Kaiser Akihito und Kaiserin Michiko. Sogar eine Zusammenkunft mit Kronprinz Naruhito und seiner Frau steht auf dem Programm. Das sind höchste zeremonielle Gesten gegenüber dem Bundespräsidenten, der im März 2017 sein Amt niederlegen wird. Und sie zeigen: Der Bundespräsident, Pfarrer und ehemalige Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Joachim Gauck, ist in Nippon sehr willkommen.
Flüchtlingsfrage und Kriegsvergangenheit
In Japan schaut man genau auf Deutschland. Zum Beispiel beim Thema Flüchtlinge. Mit großem Interesse beobachtet man, wie Deutschland innerhalb eines Jahres fast eine Millionen Flüchtlinge aufgenommen und untergebracht hat. In Japan geht man hingegen andere Wege. Einwanderung spielt in dem asiatischen Land – trotz schneller Überalterung – kaum eine Rolle. Im vergangenen Jahr wurden lediglich 23 Asylanträge positiv beschieden.
Und auch mit der unrühmlichen Kriegsvergangenheit geht man in Nippon anders um als in Deutschland. Immer wieder beschweren sich die asiatischen Nachbarländer über die unzureichende Entschuldigungskultur in Bezug auf die Kriegsgräuel Japans, werfen dem Land eine revisionistische Haltung vor. Im März des vergangenen Jahres hatte Kanzlerin Merkel bei ihrer Japan-Visite das Thema vorsichtig angerissen. Sie weiß, ebenso wie der Bundespräsident, der Umgang mit der Kriegsvergangenheit ist ein delikates Thema. Merkel gab im März keine guten Ratschläge sondern sagte, dass die Aufarbeitung dieser Zeit Teil der Voraussetzung sei, um Versöhnung schaffen zu können.
Möglicherweise spricht Bundespräsident Gauck dieses Thema an und auch die Neuauslegung der pazifistischen Verfassung durch die Regierung Abe - auf seine einfühlsame Art. Eine Rede an der Eliteuniversität Waseda in Tokio könnte der richtige Ort dafür sein.
Nagasaki als Schlußpunkt
Joachim Gauck hat sich für das Finale seiner Reise Nagasaki ausgesucht. 71 Jahre nach dem Kriegsende gerät die Hafenstadt, auf die die zweite Atombombe in Japan fiel, im Wettlauf ums Erinnern immer wieder ins Hintertreffen gegenüber Hiroshima. Dabei ist das Erinnern an den 9. August 1945, als die amerikanische Bombe „Fat Man" auf die Stadt fiel, in Nagasaki von Anfang an viel weniger nationalistisch geprägt. Immer schon wird hier an die vielen Kriegsgefangenen erinnert, an Tausende koreanische Zwangsarbeiter, die auch ums Leben kamen. Ganz anders als in Hiroshima.
Außerdem ist Nagasaki Ausgangspunkt für das Christentum im buddhistisch-shintoistisch geprägten Japan. 1580 wurde die Stadt zum Zentrum einer jesuitischen Kolonie. Doch der Shogun, Japans Militärdiktator, wollte nicht, dass die Christen zu mächtig werden. Sie wurden verfolgt, Zehntausende wurden ermordet. Vor einigen Jahren wurden einige von ihnen selig gesprochen. Für den Pfarrer und Bundespräsidenten Joachim Gauck sicherlich ein Ort des Erinnerns und Nachdenkens über das Christentum, über Deutschland und Japan.