Zwischen den Welten
7. Juni 2002Mit Okwui Enwezor übernahm erstmals ein Nichteuropäer den prestigeträchtigsten Job, den die zeitgenössische Kunstszene zu vergeben hat. Die Berufungskommission brach mit diesem Tabu und honorierte die Leistung Okwui Enwezors als Kurator der 2. Biennale in Johannesburg 1997, die internationale Aufmerksamkeit erzeugt hatte.
Wie es dazu kam...
In Johannesburg wie auch kürzlich auf der Biennale in Dakar wurde deutlich, dass nichtwestliche Künstler, Ausstellungsmacher und Kunstkritiker massiv und voller Selbstbewusstsein an die Tore des Kunstbetriebs in den westlichen Industriestaaten anklopfen. Denn auch sie wollen an dieser Szene genauso teilhaben wie andere Künstler auch und scheren sich nicht oder nur wenig um die Kunst und um das Kunstverständnis im Westen.
Andere Sehensweisen
Enwezor hielt sich nach der Berufung hinsichtlich seiner Konzeption noch zurück, doch ansatzweise war ein neuer Zungenschlag zu vernehmen: "Meine Annäherung an Kunst basiert auf einem breiten Spektrum. Es ist nicht einfach eine Frage, ob man etwas besonders mag. Es ist vielmehr eine Frage, wovon man angezogen, herausgefordert wird, etwas, was augenscheinlich Unruhe stiftet. Die Arbeit muss vielmehr aus einer kritischen Haltung heraus gemacht werden, die in direkter Beziehung zum thematischen Gegenstand steht."
Vielfalt der Kulturen
Geboren und aufgewachsen im Südosten Nigerias, ließ Okwui Enwezor sich Anfang der 80er Jahre in den USA nieder und studierte Literatur und Politikwissenschaft und begann sich für moderne Kunst zu interessieren. Binnen weniger Jahre galt er bei Insidern als exzellenter Kenner der zeitgenössischen europäischen, amerikanischen und afrikanischen Kunst des 20. Jahrhunderts, war gern gesehener Gastredner an Universitäten und arbeitete als Korrespondent für zahlreiche Kunstzeitschriften.
Aufbruch in die Zweite Moderne
Mit Hilfe seines ausgeprägten politikwissenschaftlichen Hintergrundes entwickelte er seine Sichtweise der Kunst. Damit bewegt er sich theoretisch auf der Ebene der Zweiten Moderne, die Globalisierung als Chance und nicht als Bedrohung betrachtet, nachdem das Unternehmen der Ersten Moderne, der Nationalstaat als entscheidendes Subjekt, gescheitert ist. Die so genannte Zweite Moderne sieht keinen Widerspruch zwischen der Gleichzeitigkeit, global und lokal zu leben und zu handeln. Globalisierung bedeutet nicht Zentralisierung, sondern es gibt viele Zentren, die mehr oder minder gleichberechtigt nebeneinander und miteinander existieren. Folgerichtig sind für Okwui Enwezor Themen wie globale Kommunikation, wandelnde Rolle der Nationalstaaten, Postkolonialismus, Migration die zentralen Bereiche, die Kunst und die Schaffung von Kunst heute berühren und beeinflussen.