Überleben im Milliardenspiel Bundesliga
21. August 2014Der VfB Stuttgart sei 2007 "der letzte eingetragene Verein gewesen, der deutscher Meister wurde", sagte der Präsident des schwäbischen Bundesligisten, Bernd Wahler, im Juli in einem Zeitungsinterview und fügte hinzu: "Die Wahrscheinlichkeit, dass das bald wieder ein e.V. schafft, halte ich für eher gering." Tatsächlich hat der Verein seither keinen Titel mehr gewonnen, sondern ist im unteren Tabellendrittel heimisch geworden.
Das soll sich mit Hilfe finanzkräftiger Anteilseigner ändern: Der VfB will die Lizenzspielerabteilung ausgliedern und in eine Aktiengesellschaft umwandeln. Dann sollen 25 Prozent der Anteile für etwa 70 Millionen Euro verkauft werden. Hauptanteilseigner könnte dann Daimler werden, die Autobauer bezahlen aktuell für die Nutzung des Stadionnamens.
Der Hamburger SV will diesem Beispiel folgen, Hertha BSC Berlin hat es bereits getan: Sie haben Anteile am Verein an den Finanzinvestor KKR verkauft - für 60 Millionen Euro. Für den Sportökonomen Henning Vöpel vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) liegt das ganz im Trend der Zeit: "Immer weniger Vereine verhalten sich wie ein klassischer Verein. Sie wechseln die Rechtsform, um wettbewerbsfähiger zu sein und neue Finanzierungsquellen zu erschließen."
Vom Meister lernen
Vorbild dabei ist der FC Bayern München. Der Rekordmeister, auch wirtschaftlich das Maß aller Dinge im deutschen Fußball, hat 2002 seinen Profibetrieb in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Zurzeit halten die Großunternehmen Adidas, Allianz und Audi zusammen 24,9 Prozent der Anteile. Allein das Versicherungsunternehmen Allianz hat für seine Anteile von 8,3 Prozent 110 Millionen Euro bezahlt. An der Börse notiert sind Bayern München-Papiere allerdings nicht.
Anders bei der Konkurrenz aus Dortmund: Nach der Beinahe-Pleite vor zehn Jahren haben die Borussen den Bereich "Profifußball" in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) umgewandelt. Borussia Dortmund ist zurzeit der einzige deutsche Fußballklub, dessen Anteile an der Börse gehandelt werden und gilt als einziger ernsthafter Herausforderer des FC Bayern - sportlich und wirtschaftlich. Den finanziellen Abstand zu den Münchnern wollen die Dortmunder jetzt weiter verkleinern: Die Ausgabe neuer Aktien soll über 100 Millionen Euro in die Vereinskasse spülen. Der Sportartikelhersteller Puma, der Versicherer Signal Iduna und der Spezialchemie-Konzern Evonik wollen größere Pakete davon erwerben und würden dann BVB-Großaktionäre - das Modell FC Bayern lässt grüßen.
Ärger mit dem Sponsor
Den hat vor allem Schalke 04 - und steht damit in der Spitzengruppe der Liga ziemlich allein da: Die Gelsenkirchener sind tatsächlich noch ein eingetragener Verein, ein e.V.. Sie verkaufen keine Anteile, sondern leben in der Hauptsache von Sponsoren-Geld. Aktuell ist das der russische Energiekonzern Gazprom - und damit haben die Knappen gerade ein Problem.
Die "Sponsoringstudie 2014" der TU Braunschweig, die am Dienstag (19.08.2014) veröffentlicht wurde, weist nämlich nach, dass der sogenannte Imagetransfer in beide Richtungen funktioniert: Gazprom bezahlt den Schalkern viel Geld, um vom positiven Image der Königsblauen zu profitieren. Aktuell aber leiden die Schalker unter dem schlechten Image des staatlich gelenkten russischen Energiekonzerns. Die Kritik an der aktuellen Politik des Kreml fällt in der öffentlichen Wahrnehmung auf den Verein Schalke 04 zurück.
Das Modell "Betriebssportgemeinschaft"
In eine noch größere Abhängigkeit haben sich der VfL Wolfsburg und Bayer 04 Leverkusen begeben: Sie sind auf Gedeih und Verderb an ihren Geldgeber gebunden. Wie sehr, zeigt das Beispiel von Bayer 05 Uerdingen. Dieser, wie Leverkusen vom Pharmariesen Bayer alimentierte Verein, spielte in der Bundesliga und im Europapokal. Als der Konzern das Sponsoring einstellte, stieg Uerdingen bis in die sechste Klasse ab und spielt heute in der Niederrheinliga.
Leverkusen und der von Volkswagen alimentierte VfL Wolfsburg, von vielen Fans als "Werkself" oder "Betriebssportgruppe" in der Bundesliga verhöhnt, haben etwas gemeinsam: "Sie sind die durch die Deutsche Fußball Liga geduldete Ausnahmen von der sogenannten 50+1-Regel, " hält HHWI-Ökonom Vöpel fest. Mit dieser Regel soll verhindert werden, dass ein Anteilseigner zu viel Einfluss bei einem Fußballverein erlangt: Der Verein muss immer die Mehrheit seiner Anteile selbst halten.
Schutz vor zu großer Abhängigkeit
Eigentlich sei das durchaus sinnvoll, so Vöpel. Schließlich bestehe immer "die Gefahr, dass der Gesellschafter in die Vereins- und Transferpolitik eingreift". Davon kann gerade der Hamburger SV ein Lied singen, denn ohne die Zustimmung von Mäzen Klaus-Michael Kühne, Chef des Logistik-Riesen Kühne & Nagel, kann der Verein weder einen Sportdirektor einstellen noch neue Spieler verpflichten. Auch die TSG Hoffenheim und Hannover 96 sind von ihren Mäzenen, SAP-Gründer Dietmar Hopp beziehungsweise Hörgeräte-Hersteller Martin Kind, abhängig.
Aber wie die Stimmrechte von Aktionären oder Anteilseignern auch immer organisiert ist, es gilt weiterhin: Wer das Geld hat, hat auch das Sagen. Daher vermutet Henning Vöpel, "dass auch bei Minderheitsbeteiligungen die Einflussnahme relativ groß ist."
Die letzten Vereine
Sucht man in der Liga Klubs, die noch ein e.V. sind und nicht am Tropf von Großsponsoren hängen, wird man eher in der unteren Tabellenhälfte fündig: Augsburg, Mainz, Freiburg, und Paderborn etwa. Und dort werden sie auch bleiben, meint Henning Vöpel. Denn auch wenn sie "sehr gut arbeiten, sie fallen immer wieder zurück. Sie schaffen den Anschluss nicht."
Hertha BSC, der HSV und der VfB Stuttgart, die Werksklubs aus Wolfsburg und Leverkusen, Borussia Dortmund und natürlich der FC Bayern beweisen: Der klassische "eingetragene Verein" ist in der Liga ein Auslaufmodell. Für Henning Vöpel ist sicher, dass die Kommerzialisierung der Bundesliga weitergehen wird: "Dieser Trend greift um sich und zwingt am Ende jeden einzelnen Verein, sich tatsächlich zu öffnen."