Mutti im Schlaraffenland?
15. April 2013So oder so ähnlich stellten sich damals die Herren der Schöpfung das Schlaraffenland vor: Sie selbst haben es sich in einem Sessel schön bequem gemacht und ließen sich bedienen. Was für ein Leben! Und die Frau Gemahlin? Die muss ihn zwar auch bedienen – aber sie wird es in Zukunft dabei leichter haben. Viele neue elektrische Haushaltsgeräte, so verspricht es jedenfalls der Berliner Stromversorger „Bewag“ auf dieser Haushaltsmesse 1930, werden ihr die häuslichen Pflichten fast vollständig abnehmen. Und dann hat Mutti eben auch ihr Schlaraffenland. Oder?
Nun ja, der weitere Verlauf der deutschen Geschichte hat gezeigt, dass dieser Glückvorstellung keine wirkliche Zukunft beschieden war: Zweiter Weltkrieg und Wiederaufbau brachten für die Frauen gleichermaßen die Sorge um die Familie wie die Notwendigkeit, auch noch selbst für den Lebensunterhalt der Lieben zu sorgen. Außerdem kam der Boom elektrischer Haushaltsgeräte in Westdeutschland schließlich erst mit dem Wirtschaftswunder, und in Ostdeutschland ohnhehin mit gehöriger Verspätung.
In beiden "Deutschlands" brachten die Geräte eben doch nicht das einst versprochene Schlaraffenland. Mutti blieb die Dienerin von Mann und Kindern (nur konnte sie dank der neuen Technik nun auch noch mehr schaffen). Bis heute hat sich da nicht viel getan. Den Haushalt schmeißt Frau Gemahlin. Oder wie man heute korrekter sagt: die "unentgeltliche Haushaltstätigkeit". Nach einer jüngsten OECD-Studie sind es doppelt so viele Frauen wie Männer, die kochen und sich um die Kinder kümmern. Beim Putzen ist das Verhältnis sogar eins zu drei. Na ja, irgendwer muss das Schlaraffenland ja sauber halten …
Schlaraffia ist übrigens ja keine Erfindung deutscher Stromkonzerne und der Neuzeit: Schon seit dem Mittelalter kursieren die Geschichten von einem fernen Land, in dem Essen und Trinken im Überfluss vorhanden ist, wo Arbeit verboten und das Wetter immer gut ist. Ein Land ohne Sorgen eben. Kein Wunder, dass die Werbung dieses Schlaraffenland immer aufgegriffen hat, so wie eben der Stromkonzern vor über 80 Jahren – was dem Unternehmen übrigens auch nicht geholfen hat: Inzwischen ist die Berliner Bewag vom schwedischen Stromgiganten Vattenfall geschluckt.