1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Brasiliens Justiz fordert IOC heraus

Astrid Prange, z.Zt. Rio de Janeiro16. August 2016

Keine Steuergelder für Olympia! Brasiliens Justiz greift durch. Nach der Aufarbeitung zahlreicher Korruptionsskandale haben sich Staatsanwälte nun das Organisationskomitee Rio 2016 vorgenommen. Aus Rio Astrid Prange.

https://p.dw.com/p/1Jiw1
Symbolbild Olympia Rio 2016 Ringe Geldmangel
Bild: picture-alliance/dpa/N. Bothma

Rote Karte für Rio: Auf dem Höhepunkt der Olympischen Spiele untersagt die brasilianische Justiz die Überweisung von öffentlichen Mitteln an das lokale Organisationskomitee (OK). Der Streit um die Finanzierung des größten Sportereignis der Welt eskaliert.

Umgerechnet 75 Millionen Euro wollen die brasilianische Regierung und die Stadt Rio de Janeiro an das lokale Organisationskomitee überweisen, um finanzielle Engpässe zu überbrücken. Mit dem Geld sollen die Ausrichtung der Abschlussfeier am 21. August und der Paralympics vom 7. bis 18. September garantiert werden.

Geld nicht in die Hände des OK

Die brasilianische Justiz sieht in der geplanten Finanzspritze eine unrechtmäßige Verwendung öffentlicher Gelder und zog die Notbremse. "Es gibt begründete Zweifel daran, dass bei den geplanten oder bereits erfolgten Überweisungen öffentlicher Gelder nicht die notwendige Transparenz und Rechenschaftspflicht angewandt wurde", heißt es in der Urteilsbegründung, die der DW vorliegt. Wenn das Geld einmal auf dem Konto des OK eingegangen sei, gebe es keine Möglichkeit mehr für die öffentliche Hand, dessen Verwendung zu kontrollieren.

Ein Mann betrachtet die Live-Übertragung der Proteste gegen die Regierung (Foto: DW/T. Käufer)
Proteste gegen Lula da Silva und Dilma Rousseff - Die Probleme Brasiliens sind momentan vielfaltigBild: DW/T. Käufer

Bundesrichterin Marcia Maria Nunes des Barros verbot deshalb der brasilianischen Regierung und der Stadt Rio "jegliche Überweisung öffentlicher Mittel an das OK". Damit nicht genug: "Falls das OK bereits Zahlungen erhalten haben sollte, darf es diese nicht verwenden."

Kein Geld, was nun?

Die in Rio versammelte Weltpresse fasst sich an den Kopf. Was bringt die brasilianische Justiz dazu, während der Olympischen Spiele ein solches Urteil zu fällen? Schließlich gefährdet die angespannte Finanzlage des OK nicht nur die Abschlusszeremonie am kommenden Sonntag, sondern auch die Ausrichtung der Paralympics vom 7. bis 18. September. Dort droht der Reiseverzicht vieler Athleten. Denn Athleten aus zahlreichen Ländern warten seit zwei Wochen auf einen Zuschuss für ihre Reisekosten. Ohne diesen geht nichts.

Doch was auf den ersten Blick unfassbar scheint, ist in Wirklichkeit das Ergebnis eines jahrelangen Machtkampfs mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Dieses verlangt von jedem Gastgeberland eine Garantie, dass es für mögliche Defizite bei der Organisation der Veranstaltung aufkommt.

Verantwortungsvolle und transparente Haushaltsführung

Aus brasilianischer Sicht ist dies eine unzumutbare Forderung, auch wenn sie von allen Gastgeberländern unterschrieben wird, so auch von Brasilien. Schon im August 2015 zog die Regierung in Brasilia eine entsprechende Regelung zurück. Statt auf öffentliche Zuschüsse zurückzugreifen, sollte sich das Komitee Rio 2016 zu verantwortungsvoller und transparenter Haushaltsführung verpflichten.

Rio Bürgermeister Eduardo Paes mit Teilnehmern aus Australien (Foto: Reuters/E. Garrido)
Da war noch alles in Ordnung: Rios Bürgermeister Eduardo Paes mit Teilnehmern aus Australien beim Einzug ins olympische DorfBild: Reuters/E. Garrido

Rios Bürgermeister Eduardo Paes sieht genau diese Forderungen erfüllt. "Wir haben wenig öffentliche Gelder gebraucht und die Bauarbeiten rechtzeitig fertiggestellt, dafür haben wir eine Goldmedaille verdient", lobte er sich selber. Alle Ausgaben für Olympia seien öffentlich nachvollziehbar.

Zu wenige Tickets für Paralympics verkauft

Die Justiz ließ sich von so viel Eigenlob nicht beeindrucken. "Der Bürgermeister wird seine Behauptungen gut belegen müssen", kommentiert ein Sprecher der brasilianischen Staatsanwaltschaft in Rio. "Die Justiz entscheidet."

Paes hat bereits angekündigt, Einspruch gegen das Urteil zu erheben. "Die Stadt hat sich verpflichtet, die notwendigen Mittel für das OK bereit zu stellen, und das wird sie auch tun", so Paes. Einer der Gründe für die Finanzprobleme bei den Paralympics sei, dass bisher zu wenig Eintrittskarten verkauft worden seien.

Sponsoren sind nicht immer privat

Das OK bestreitet in seiner Stellungnahme gegenüber der brasilianischen Justiz, jemals öffentliche Zuschüsse erhalten zu haben. "Die Kosten für die Organisation der Spiele werden ausschließlich aus privaten Mitteln gedeckt. Es gab weder öffentliche Zuschüsse vom Bund, noch vom Bundesstaat Rio de Janeiro oder der Stadt Rio de Janeiro", heißt es dort.

Die "privaten Mittel" sind allerdings nur auf den ersten Blick privat: Denn zwei wichtige Sponsoren, nämlich die brasilianische Post (ECT) und die Exportagentur APEX befinden sich in öffentlicher Hand, räumte das OK gegenüber der brasilianischen Justiz ein.

Rund zehn Milliarden Euro kostet die Ausrichtung der Olympischen Spiele in Rio. Das Budget der sogenannten "Verantwortungsmatrix", das ausschließlich die Organisation umfasst, beläuft sich auf rund 1,7 Milliarden Euro.

Japans Premier alleine

Als Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva diese und andere Versprechen 2009 bei der Vergabe der Olympischen Spiele an Rio de Janeiro gab, schienen dies überschaubare Summen zu sein. Doch Brasiliens Zeitalter der politischen Goldmedaillen ist vorbei, der Sport eine willkommene Abwechslung von der politischen Krise.

Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva (Foto: picture-alliance/AP Photo/F. Dana)
Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva: "Sie haben mich vergessen"Bild: picture-alliance/AP Photo/F. Dana

Ausgerechnet der japanische Premierminister Shinzo Abe, der extra zur Abschlussfeier am 21. August im Maracana-Stadion anreist, bekommt dies nun zu spüren. Gemeinsam mit Präsidentin Dilma Rousseff wollte er in der Olympia-Stadt die Übergabe an Tokio, den nächsten Gastgeber, zelebrieren.

Lula: "Ohne mich gebe es gar keine Spiele in Rio"

Doch Dilma Rousseff wird nicht anwesend sein, genauso wenig wie Brasiliens Vize-Präsident Michel Temer. Während letzterer sich nicht den Buhrufen des Publikums aussetzen möchte, will Rousseff, die vorläufig ihres Amtes enthoben wurde, nicht in zweiter Reihe hinter ihrem Rivalen Temer sitzen.

Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva wurde gar nicht eingeladen. "Sie haben mich vergessen, dabei gäbe es ohne mich gar keine Olympischen Spiele in Rio", erklärte er enttäuscht bei einer Gewerkschaftsveranstaltung in der Stadt Santo André. "Wir haben damals Madrid und Tokio besiegt, und das war nicht ohne."