Corona und Klima: Gemeinsam aus der Krise?
23. April 2020"Was vor der Coronakrise in der Klimapolitik richtig war, ist auch nach der Corona-Krise richtig", sagt Professorin Sonja Peterson, Klimaökonomin vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Sie fordert, dass Hilfen für die Wirtschaft gleichzeitig den klimafreundlichen Umbau erleichtern sollten. Vorschläge wie etwa die geplanten CO2-Abgaben in Deutschland auszusetzen und die europäischen Klimaziele abzuschwächen sind aus Petersons Sicht die falschen Schritte. "Unter den Ökonomen gibt es da große Einigkeit. Wir brauchen die Lenkungswirkung und die muss erhalten bleiben. Wenn man entlasten will, dann sollte das an andere Stelle geschehen", sagt die Klimaökonomin der DW.
"In Deutschland, der EU und international brauchen wir einen CO2-Preis. Der muss sehr zügig in allen Sektoren angewendet werden. Und in diesem Bereich können Deutschland und Europa ganz klar vorangehen."
Fehler wie nach Finanzkrise nicht wiederholen
Nach Einschätzung der Vereinten Nationen (UN) werden sich die Corona-Pandemie und ihre Folgen zur weltweit größte Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg entwickeln und zu einer Rezession führen, "die in der jüngsten Geschichte wahrscheinlich keine Parallele hat", so UN-Generalsekretär António Guterres
In Deutschland rechnen die führenden Wirtschaftsexperten damit, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 2,8 bis 5,4 Prozent schrumpft. Mit einem historischen Rettungspaket will die deutsche Regierung die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie mildern, Arbeitnehmer und Unternehmen stützen. 156 Milliarden Euro neue Schulden will der Staat dafür aufnehmen.
Langfristige Konjunkturprogramme zur Wiederbelebung der Wirtschaft gibt es in Deutschland und anderen Staaten bisher noch nicht. Klimaökonomen wie Peterson fordern jedoch schon jetzt vorausschauende Weitsicht, um Fehler wie nach der Finanzkrise von 2008 nicht zu wiederholen.
Ökonomischer Neustart für den klimafreundlichen Wandel
Damals förderte Deutschland beispielsweise mit der "Abwrackprämie" die Verschrottung von PKW zur Förderung der Autoindustrie. Wer sein intaktes Auto in die Schrottpresse schickte, bekam beim Neukauf einen Zuschuss von 2500 Euro vom Staat. "Dann wurden eher größere Autos gekauft mit mehr CO2-Ausstoß. Das war sehr kontraproduktiv", resümiert Peterson.
Den Klimaschutz habe die Politik nach der Finanzkrise kaum im Fokus gehabt, sagt die Klimaökonomin. "Dadurch gingen kostbare Jahre verloren, um Wirtschaft und Gesellschaft auf klimafreundliche Produktions- und Konsumstrukturen auszurichten.
Warnung vor kurzfristigen Maßnahmen
Das könne man jetzt besser machen, etwa wenn die derzeit hohen Abgaben auf Strom und damit der Strompreis gesenkt würden. Hohe Strompreise seien inzwischen kontraproduktiv, denn günstiger Strom für Bürger und Unternehmen sei gleichzeitig "sinnvoll" für den Umstieg auf Klimaschutztechnologien wie etwa Elektromobilität oder klimafreundliche Wärmepumpen.
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Peterson plädiert zudem dafür, alle Maßnahmen zur Krisenbewältigung von einem Expertenrat darauf prüfen zu lassen, ob diese sinnvoll oder schädlich für die Erreichung der Klimaziele sind. Viele Investitionen seien hilfreich für Klima, Konjunktur und Jobs: etwa Maßnahmen zum Ausbau der erneuerbaren Energien und zur energetischen Gebäudesanierung sowie Investitionen in die klimafreundliche Mobilität mit mehr Schienenverkehr, mehr öffentlichen Nahverkehr und mehr Ladestationen für Elektromobilität.
Vor kurzsichtigen Maßnahmen und Signalen warnt auch die Denkfabrik Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) in einer Analyse zur Corona-Krise. Es bestehe die Gefahr, dass zur Bekämpfung der Krise andere drängenden Aufgaben zurückgestellt werden, heißt es in der im Auftrag von Greenpeace erstellten Studie. So wäre es zum Beispiel ein "klimapolitisch fatales Zeichen", wenn etwa die Politik nach der Corona-Krise die Bürger zu mehr Flügen auffordere und notwendige Klimaschutzmaßnahmen im Flugverkehr aufschieben oder lockern würde. "Notwendige Umbrüche in der Branche sollten nicht künstlich verschleppt werden", fordert die Analyse. Der wirtschaftliche Neustart müsse auf den notwendigen Wandel ausgerichtet werden.
Wiederaufbau an Klimaschutz koppeln
Die Finanzhilfen für den Wiederaufbau sollten "streng an Klimaschutz- Investitionen gekoppelt werden, um dann wirklich dauerhaft die Pariser Klimaziele einhalten zu können", sagt auch Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die Milliarden sollten nicht in "rückwärtsgewandte Technologien" fließen, so Kemfert zur DW.
Und Manfred Fischedick und Uwe Schneidewind vom Wuppertal Institut setzen in in einem Diskussionspapier zur Corona-Krise für eine zukunftsfähige Industrie zudem auf Investitionen in die grüne Wasserstoffwirtschaft. Mit Wasserstoff aus Ökostrom ließe sich Öl, Gas und Kohle ersetzen und die Industrie könnte so "zukunftsfest" werden. Anstehende Konjunkturprogramme sollten deshalb zielorientiert auf die "ohnehin notwendigen Transformationsprozesse" ausgerichtet werden, so die Klimaforscher.
Kipppunkt für Veränderung?
Die Corona-Krise wird die Welt in einem zuvor unvorstellbaren Ausmaß verändern - das scheint einhellige Meinung. Sandrine Dixson-Declève, Co-Präsidentin vom Club of Rome und Johan Rockström, Direktor vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, appellierenin einem Brief an die EU-Staatschefs, diese Zeit des Umbruchs für einen ganzheitlichen Konjunkturplan in der EU zu nutzen.
Der Green Deal sollte Europas Marshall-Plan sein, der mehr Gesundheit, Wohlbefinden und gemeinsamen Wohlstand auf einem gesunden Planeten schaffe, "damit wir wirklich gestärkt und widerstandsfähiger aus diesem Notfall hervorgehen können", schreiben sie.
Einer der renommiertesten deutschen Klimaforscher, Hans Joachim Schellnhuber, sieht die Pandemie als möglichen Kipppunkt im Umgang mit der Erderwärmung. Die Parallelen zwischen Corona- und Klimakrise "sind frappierend", sagt er im Interview mit der Frankfurter Rundschau. Die Corona-Krise zeige auf, dass, wie beim menschengemachten Klimawandel, ein Verlauf drohe, "der sich mit den Standardpraktiken des politischen Geschäfts nicht mehr beherrschen lässt", und es wichtig sei, den Rat der Wissenschaft ernst zu nehmen, bevor die Krise eskaliere. Sowohl das Virus als auch CO2 machten nicht an nationalen Grenzen halt und seien ein gemeinsames Menschheitsproblem.
Schellnhuber wirbt in diesem Zusammenhang für einen "Klima-Corona-Vertrag" zwischen den Generationen. "Die Solidarität muss also wechselseitig sein", sagt der Klimaforscher. "Man könnte es plakativ so ausdrücken: Wer achtlos das Virus weitergibt, gefährdet das Leben seiner Großeltern. Wer achtlos CO2 freisetzt, gefährdet das Leben seiner Enkel."