CRISPR/Cas9-Babys: Eine ethische Grenzüberschreitung
31. Dezember 2019Was hat He Jiankui getan?
Der Biophysiker hatte am 28. November 2018 auf einer Fachtagung in Hong Kong bekanntgegeben, dass er menschliche Embryonen durch künstliche Befruchtung erzeugt und dabei zuvor deren Erbgut mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas9 verändert hatte. Die Embryonen hatte er den leiblichen Müttern einpflanzen lassen, die daraufhin die Babys austrugen. Zwei Zwillingsschwestern waren bereits geboren worden, als He sein Vorgehen öffentlich machte. Ein drittes Baby kam wenig später zur Welt.
Worin bestand die Grenzüberschreitung?
Anders als bei der üblichen künstlichen Befruchtung, die Ärzte weltweit bei Paaren vornehmen, die einen unerfüllten Kinderwunsch haben, hatte He Jiankui einen sogenannten Keimbahneingriff vorgenommen. Er hat das Erbgut bereits vor der Verbindung von Samen und Eizelle manipuliert, mit dem Ziel, ein verändertes, neues Erbgut entstehen zu lassen. Würden die so gezeugten Kinder eigene Kinder bekommen, würden sie das veränderte Erbgut an sie weitergeben. He Jiankui hat damit - soweit bekannt - weltweit erstmals Designer-Babys geschaffen.
Was halten Ethiker von diesem Vorgehen
Ethiker in Medizin und Biowissenschaften lehnen einen Keimbahneingriff beim Menschen nahezu ausnahmslos ab. Sie befürchten, dass ein solches Vorgehen Ärzte dazu verleiten könnte Gott zu spielen und menschliches Leben à la carte zu schaffen. Die Eltern könnten sich bestimmte Eigenschaften ihres Nachwuchses wünschen, der schon vor der Befruchtung in das Erbgut eingebaut wird. Auch die Idee, vorhandene Erbkrankheiten vor einer Befruchtung zu reparieren, stößt bei Ethikern auf wenig Verständnis. Eltern mit Kinderwunsch hätten immer die Möglichkeit, von gesunden Menschen gespendete Samen und Eizellen zu nutzen.
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Womit hat He Jiankui den Eingriff gerechtfertigt?
Der Biophysiker begründete den Eingriff damit, dass der leibliche Vater der beiden Zwillingsschwestern HIV-positiv gewesen sei. Ziel sei es gewesen, den Babys eine Mutation des CCR5-Gens mitzugeben, die sie gegen das HI-Virus immun machen sollte. Es sei damit ethisch gerechtfertigt gewesen.
War der Eingriff notwendig, um die Kinder vor HIV zu schützen?
Nein, auch HIV-positive Eltern können heutzutage gesunde Kinder zur Welt zu bringen. Sie müssen dazu konsequent ihre antiretroviralen Medikamente einnehmen. Zusätzlich müssen die Kinder behandelt werden, so kann das Virus so stark zurückgedrängt werden, dass es nicht mehr nachweisbar ist. Es ist zudem keineswegs medizinisch sicher, dass die Babys die versprochene Immunität gegen HIV gewonnen haben. Zwar gibt es eine natürliche Mutation des CCR5-Gens, die Menschen gegen HIV immun macht, aber die von He Jiankui eingeführte Mutation ist mit dieser nicht identisch.
Welche Risiken bestehen für die Kinder?
Es besteht die Gefahr, dass das genetisch veränderte Erbgut bei den Kindern später im Leben einmal völlig unvorhersehbare Nebenwirkungen zeigt. Ihre Lebenserwartung sei vermutlich deutlich geringer als die von normal gezeugten Kindern, befand eine Studie von Medizinern der Universität von Berkeley/USA.
Wie haben die chinesischen Behörden auf den Skandal reagiert?
Ziemlich unbeholfen. China strebt Forschungsführerschaft im Bereich der Gentechnik an - auch im Bereich der Humanmedizin, mag aber keine schlechte Presse. Mit der Verurteilung von He Jiankui möchte die chinesische Regierung offenbar einen Schlussstrich unter den Skandal setzen, der sie 2018 relativ unvorbereitet getroffen hat. Einiges deutet darauf hin, dass nicht nur He Jiankui ein mangelndes Problembewusstsein hatte, als seine Grenzüberschreitung beging, sondern auch andere Wissenschaftler seiner Zunft. Als der Skandal ausbrach, lagen Dokumente des beteiligten Krankenhauses vor, die zeigten, dass die medizinische Ethikkommission dem Vorgehen sogar zugestimmt hatte. Später zweifelten chinesische Ermittler allerdings die Authentizität dieser Dokumente an. Erst nach dem Skandal distanzierten sich auch enge Kollegen des Biophysikers von ihm und seinen Methoden. Bis dahin war He Jiankui als Spitzenforscher gefördert worden.
Nun muss er für drei Jahre ins Gefängnis und eine Strafe von drei Millionen Yuan bezahlen, das sind umgerechnet etwa 380.000 Euro.