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DFB-Team: fünf Gründe für Deutschlands Formanstieg

Mathias Brück
25. März 2024

Die deutsche Nationalmannschaft beeindruckt beim 2:0 gegen Frankreich. Im ersten Testspielsieg des Jahres zeigt das Team Spielfreude und belohnt damit mutige Entscheidungen von Bundestrainer Julian Nagelsmann.

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Torschütze Kai Havertz (li.) läuft Jamal Musiala nach dem 2:0 gegen Frankreich jubelnd in die Arme.
Die jungen Wilden zaubern: Torschütze Kai Havertz (li.) bedankt sich bei Jamal Musiala für die starke Vorarbeit zum 2:0 gegen FrankreichBild: Ulmer/Teamfoto/IMAGO

Nagelsmanns Mut zur Veränderung

"Ich will, dass wir den Mut haben, das habe ich der Mannschaft gesagt", sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann vor dem Spiel gegen Frankreich im ZDF und forderte, "dass wir eine gewisse Lebensfreude zeigen auf dem Platz." Diesen Auftrag setzte seine Mannschaft beim Auswärtsspiel in Lyon eindrucksvoll um. Doch auch Nagelsmann selber hat mit seiner Kadernominierung Mut bewiesen und das Gesicht der Mannschaft gegenüber den enttäuschenden Niederlagen gegen die Türkei und Österreich verändert. Gleich sechs Neulinge nominierte er vor den Testspielen gegen Frankreich und die Niederlande, darunter mit Waldemar Anton, Maximilian Mittelstädt und Deniz Undav drei Spieler vom momentan extrem formstarken VfB Stuttgart. Dass von Borussia Dortmund einzig Stürmer Niclas Füllkrug dabei ist und prominente Spieler wie Füllkrugs BVB-Kollegen Niklas Süle, Julian Brandt und Mats Hummels oder Leon Goretzka vom FC Bayern im Kader fehlten, barg ein gewisses Risiko. 

Doch Nagelsmann geht nach dem Leistungsprinzip, nimmt Spieler dazu, die seit Wochen und Monaten im Verein überzeugen. "Am Ende ist es wichtig, dass wir von den Einzelspielern her vielleicht nicht die 20 möglicherweise talentiertesten finden, mit den größten Namen, sondern dass wir die 20 zueinander passenden finden", sagte der 36-Jährige. Gegen Frankreich ging dieser Plan schonmal voll auf. Auch der ehemalige DFB-Manager Oliver Bierhoff ist von Julian Nagelsmann überzeugt. "Er ist ein großartiger Trainer und immer gut vorbereitet", sagte Bierhoff gegenüber der DW. "Ich denke, mit den harten Entscheidungen bei seinen Nominierungen hat er der Mannschaft ein klares Zeichen gegeben, dass jeder ihm zu folgen hat. Wer das nicht tut, hat schlechte Karten." 

Julian Nagelsmann zeigt am Seitenrand den Daumen hoch gegen Frankreich
Bundestrainer Julian Nagelsmann bewies Mut zur Veränderung und wurde belohntBild: BEAUTIFUL SPORTS/Wunderl/IMAGO

Toni Kroos feiert triumphale Rückkehr

"Wer immer noch Querpass-Toni schreibt, der hat leider keine Ahnung von Fußball", sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann bereits vor dessen Comeback gegen Frankreich. Das Spiel gegen "Les Bleus" sollte ihm Recht geben. Die DFB-Rückkehr von Toni Kroos nach seinem letzten Auftritt beim Achtelfinal-Aus der deutschen Mannschaft bei der Europameisterschaft 2021 war ein voller Erfolg. Gerade einmal drei Sekunden dauerte es, bis er das erste Mal entscheidend in Aktion trat: Einer kurzen Drehung mit Ball am Fuß folgte eine präziser Pass auf Florian Wirtz, der den Ball gekonnt verarbeitete und nach acht Sekunden zum frühen 1:0 einschoss. Das schnellste Tor der deutschen Länderspiel-Geschichte war kein Zufall. "Das war geplant, ja", sagte Rückkehrer Kroos nach dem Spiel im ZDF. "Die Standardtrainer hatten genug Zeit, sich in den vier Monaten etwas auszudenken", fügte er scherzhaft hinzu.

Doch nicht nur die Standards funktionierten beim 34-jährigen auf Anhieb. Mit einer beeindruckenden Eleganz sammelte Kroos einen Assist und 145 Ballkontakte und trug neben vielen Offensivaktionen auch zu defensiver Stabilität bei. Er agierte als Führungsspieler und Vorbild. Toni Kroos war unfassbar!", schwärmte Julian Nagelsmann: "Er war Taktgeber, hat unglaublich viel gearbeitet." Und, das war der vielleicht entscheidende Punkt: "Er gibt den anderen Spielern so viel Sicherheit. Du kannst ihn immer anspielen, er hat eine enorme Ruhe. Bei Toni ist der Ball immer gut aufgehoben."

Im Verbund mit Nebenmann Robert Andrich stand das Mittelfeld kompakt und war entscheidend daran beteiligt, dass Deutschland zum ersten Mal seit zehn Spielen wieder ohne Gegentor blieb.

Stabilität im Mittelfeld

Stichwort Andrich: Es scheint, als habe Julian Nagelsmann mit dem 29-jährigen Leverkusener endlich den so lange vermissten Stabilisator im defensiven Mittelfeld gefunden, der an der Seite von Rückkehrer Kroos als Abräumer glänzen kann. Andrich sorgt für die nötige Absicherung und hält Kroos den Rücken frei, während Kapitän Ilkay Gündogan auf der Zehnerposition neue Freiheiten genießt und offensiver agieren kann.

Rückkehrer Toni Kroos (r.) und Robert Andrich im Spiel gegen Frankreich
Ist das die Wunsch-Doppelsechs für die EM? Rückkehrer Toni Kroos (r.) und Robert Andrich harmonierten perfekt im MittelfeldBild: Moritz Mueller/IMAGO

Andrich spielte übrigens schon einmal mit Kroos zusammen - allerdings mit Bruder Felix Kroos bei Union Berlin. Der jüngere Bruder des Real-Stars nannte das Duo in seinem Podcast seine "Traum-und Wunsch-Doppelsechs für die EM". Weniger als drei Monate vor dem Turnier lässt sich festhalten: Dieser Wunsch scheint in Erfüllung zu gehen. Oder wie Andrich es nach dem Spiel gegen Frankreich in der ARD ausdrückte: "Das sah schon gar nicht so verkehrt heute mit uns zusammen aus."

Beste Spieler auf beste Positionen

Bereits nach dem 0:2-Debakel gegen Österreich im November letzten Jahres kündigte Bundestrainer Nagelsmann an, er wolle "die besten Spieler, die wir haben, auf die beste Position packen". Nun lässt er dieser Ankündigung Taten folgen. Vorbei scheint die Zeit der Experimente, in der beispielsweise Stürmer Kai Havertz als linker Verteidiger aufgestellt wurde, wie bei der 2:3-Niederlage gegen die Türkei in Berlin im November. Gegen Frankreich fand sich der Arsenal-Profi wie gewohnten Sturmzentrum wieder und traf prompt zum 2:0-Endstand.

Antonio Rüdiger und Jonathan Tah sind im Abwehrzentrum gesetzt, Joshua Kimmich arrangiert sich mit seiner so wichtigen Rolle als rechter Verteidiger und Maximilian Mittelstädt feierte als Linksverteidiger ein starkes Debüt im DFB-Dress. Dazu kann sich die offensive Kreativität von Jamal Musiala und Florian Wirtz durch die Stabilität im Mittelfeld voll entfalten. "Es war das Beste, was wir in den letzten Jahren gespielt haben", sagte Sportdirektor Rudi Völler nach dem Spiel im ZDF sichtlich erheitert.

"Wir kicken" als Motto

Die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit ist zurück im deutschen Spiel. Trainer Nagelsmann spielt dabei eine entscheidende Rolle. "Wir haben dem Spiel eine Überschrift gegeben. Die ist: 'Wir kicken'", sagte er vor dem Abschlusstraining in Lyon. Die Message sei "bewusst simpel" gewählt. 

Deutschland feiert das 1:0 im Spiel gegen Frankreich. In der  Mitte der Jubeltraue ist Torschütze Florian Wirtz (re.) zu erkennen.
Die deutsche Nationalmannschaft scheint ihre Spielfreude wiedergefunden zu habenBild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

"Da ist das Leben, das ist groß. Und da ist der Fußball, und der macht immer Spaß. Wenn es uns erdrückt, dann hören wir auf mit Fußball", referierte Nagelsmann. Mit einfachen, klaren Prinzipien kehrte die Spielfreude zurück ins deutsche Spiel. Auch, weil die Hierarchien klar verteilt sind. "Wir haben einen klare Rollenverteilung, eine klare Hierarchie in der Mannschaft", erklärte Niclas Füllkrug seine EM-Rolle als Backup von Torschütze Kai Havertz.

Nagelsmann hatte immer wieder betont, wie wichtig es sei, dass die Spieler ihre Rolle in der Mannschaft verstehen und annehmen und erklärte: "Am Ende gibt es vorgefertigte Rollen und alle Spieler, die damit klarkommen, haben die Chance auch beim Turnier dabei zu sein." Die Chemie in der Mannschaft scheint zu stimmen. Selbst der so formstarke Torwart Marc-André ter Stegen habe seine Position als Nummer zwei hinter Manuel Neuer "sehr professionell und sehr erwachsen" aufgenommen. Beim Spiel gegen die Niederlande am Dienstag wird auch Leroy Sané wieder zum Team stoßen. Dieser ist zwar nach einer Tätlichkeit im Spiel gegen Österreich für insgesamt drei Spiele gesperrt worden, soll aber im Sinne des Teamgeistes im Kreise der Mannschaft bleiben. Es gelte für Sané, "sich einzugliedern", sagte Nagelsmann: "Er hat eine Qualität, auf die wir nicht verzichten wollen oder verzichten können." Im DFB-Team scheint wieder vieles auf dem richtigen Weg zu sein.