Sicherheit auf FIFA-Niveau
2. Juli 2014Eigentlich ist die Aufteilung klar: Die FIFA passt auf dem Stadiongelände auf, die brasilianischen Behörden sichern die Umgebung. Bedenken gab es im Vorfeld vor allem gegen das Sicherheitskonzept der Brasilianer, das auf Polizei- und Militärpräsenz sowie hartes Durchgreifen setzt. Doch die Fußball-Weltmeisterschaft hat gezeigt, dass der Weltverband FIFA weitaus größere Probleme hat, ihren Teil zu erfüllen.
Während der Gruppenphase sind Sicherheitslücken zu Tage getreten, wie sie bei bisherigen FIFA-Turnieren nicht vorkamen: Zahlreiche Zuschauer wurden im Sicherheitsbereich der FIFA bestohlen, Fans kamen ohne Eintrittskarte in die Stadien, beim Spiel Schweiz gegen Ecuador in Brasília sollen 30 Prozent der Sicherheitskräfte gefehlt haben, in Cuiabá schafften es Fans sogar, Feuerwerkskörper auf die Tribüne zu schmuggeln. Den spektakulären Höhepunkt setzten etwa 90 chilenische Fans, die sich beim Spiel ihrer Mannschaft gegen Spanien unerlaubten Zutritt zum Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro verschafften.
Selbst solche kleinen Zwischenfälle könnten leicht zu größeren Tumulten führen, warnt der Sportjurist José Eduardo Junqueira Ferraz von der privaten Wirtschaftsuniversität Ibmec in Rio de Janeiro und wirft der FIFA Versäumnisse vor: "Die Kontingente der privaten Sicherheitsfirmen, die die FIFA beauftragt hat, haben sich als unzureichend erwiesen.“
Der Sicherheitsbeauftragte der privaten Mackenzie-Universität in São Paulo, Orlando Taveiros Costa Júnior, dagegen hält das Sicherheitskonzept der FIFA grundsätzlich für adäquat: "Aber es muss eben auch konsequent umgesetzt werden, wenn weitere Zwischenfälle vermieden werden sollen."
Jurist Junqueira Ferraz lässt jedenfalls keinen Zweifel daran, wer dafür die Verantwortung trägt: Ob man nun die Zahl der Sicherheitskräfte falsch berechne oder offenbar mangelhaft geschultes Personal engagiere - die Sicherheit in den Stadien und der direkten Umgebung zu organisieren, sei ganz allein die Aufgabe der FIFA. Auch wenn ein Zwischenfall auf die individuelle Unaufmerksamkeit einer Sicherheitskraft zurückgeht, sei die FIFA verantwortlich.
FIFA zieht positive Bilanz
Trotz der zahlreichen Zwischenfälle zieht das Lokale Organisationskomitee der FIFA (LOK) eine positive Zwischenbilanz für die Gruppenphase: Fast zwei Millionen Fans seien sicher in die Stadien und aus ihnen heraus gekommen. Laut LOK seien bei jedem Spiel im Schnitt 900 Sicherheitskräfte im Einsatz. Der exakte Bedarf werde je nach Begegnung kalkuliert.
Auf Nachfrage der DW, schrieb das LOK: "Nach den Ereignissen im Pressezentrum beim Spiel Spanien-Chile wurden die Sicherheitsvorkehrungen rund um das Stadion durch die Militär-Polizei verstärkt, und beim nächsten Spiel im Maracanã ist kein Problem registriert worden."
Zudem setzt die FIFA auf Abschreckung der Fans: Die rund 90 Anhänger der chilenischen Nationalmannschaft, die das Stadion von Rio gestürmt hatten, wurden dabei festgenommen und mussten binnen 72 Stunden das Land verlassen. Den chilenischen Fußballverband belegte die FIFA mit einer Geldstrafe und drohte härtere Strafen an, sollten sich künftig ähnliche Fälle ereignen.
Ruhige Stimmung außerhalb der Stadien
Die anfängliche Skepsis gegenüber dem Sicherheitskonzept der brasilianischen Regierung ist dagegen verflogen. Sicherheitsexperten loben die erfolgreiche Präventivarbeit und die gute Koordination zwischen Polizei und Militär.
Obwohl gleich am Tag des Eröffnungsspiels bei einer Kundgebung wenige Kilometer entfernt vom Stadion in São Paulo mehrere Menschen durch Gummigeschosse der Polizei verletzt wurden, blieb die übertriebene Gewalt der Beamten, die während des Confederations Cups 2013 beklagt wurde, bisher weitgehend aus.
Die Kontrolle über eine Situation verloren die Beamten eigentlich nur einmal, als am 19. Juni Teilnehmer einer Demonstration dazu übergingen, Bankfilialen und Autohäuser zu beschädigen. "Das hatte aber mit der WM eigentlich nichts zu tun", sagt Rodrigo Ghiringhelli de Azevedo von der katholischen PUC-Universität von Rio Grande do Sul in Porto Alegre. Alles in allem hat sich das Sicherheitskonzept als sehr effizient erwiesen.
Dies sein allerdings nicht nur ein Verdienst der Beamten. Die Brasilianer, meint Azevedo, fühlten sich ihrer Gastgeberrolle verpflichtet und seien darauf bedacht, ein gutes Image ihres Landes in die Welt zu senden.
Die positive Stimmung könne allerdings schnell kippen, wendet Antônio Flavio Testa, Sicherheitsexperte der Universität Brasília, ein. Solange die Brasilianer sich auf das große Ziel, den sechsten Weltmeistertitel ihrer Nationalmannschaft, konzentrierten, sei es schwierig, sie für ähnlich große Proteste wie beim Confed Cup 2013 zu mobilisieren. Doch spätestens, wenn es nach der WM in den Vorwahlkampf für die nationalen Wahlen im Oktober geht, meint Testa, werde die Wahrscheinlichkeit von Massenprotesten wieder größer.