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Frankreich, was nun?

Bernd Riegert, Paris13. Januar 2015

Wenige Tage nach den Terroranschlägen in Paris diskutiert Frankreich über die Folgen: Schärfere Gesetze? Mehr Toleranz? Die Regierung will alle Bürger, gleich welchen Glaubens, schützen. Aus Paris Bernd Riegert.

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Gedenken an die Opfer der Terroranschläge in Paris 13.01.2015
Zeitungsstand in Paris: Was kommt jetzt, fragen die Blätter?Bild: DW/B. Riegert

"Und jetzt?", fragt zwei Tage nach der historischen Anti-Terror-Demonstration in Paris nicht nur die Zeitung "Le Parisien". Auch in anderen Medien, bei Diskussionen in Schulen, Kirchen oder einfach im Bistro stellen sich die Franzosen die Frage, welche Konsequenzen aus den Attentaten islamistischer Terroristen gezogen werden sollen. Präsident Francois Hollande beschwor ein weiteres Mal die Einheit der Nation und verurteilte jedwede Übergriffe auf moslemische oder jüdische Einrichtungen. "Die Bedrohung durch Terror ist weiter präsent. Wir müssen sie ernst nehmen", sagte Hollande. "Frankreich wird all seine Bürger schützen, egal was sie glauben oder nicht glauben."

Im Pariser Straßenbild fallen die vielen schwer bewaffneten Soldaten und Polizisten auf, die als erste Sofortmaßnahme an neuralgischen Punkten der französischen Hauptstadt stationiert wurden. 10.000 Soldaten hat die Regierung im ganzen Land mobilisiert. "Es ist das erste Mal, dass so viele Soldaten auf unserem eigenen Gebiet eingesetzt werden", sagte Premierminister Manuel Valls. Alle jüdischen Einrichtungen in Frankreich werden von zusätzlich 4700 Polizisten bewacht. Ob diese zusätzlichen Sicherheitskräfte einen neuerlichen Anschlag verhindert könnten, bezweifelt eine ältere Dame, die die mit Blumen geschmückte provisorische Gedenkstätte an der Redaktion der Zeitschrift "Charlie Hebdo" besucht. "Letzte Woche waren ja auch Polizisten im und vor dem Gebäude. Und hat es genutzt?", fragt sie. Sicherheitsexperten räumen ein, dass ein absoluter Schutz gegen zu allem entschlossene Täter, die rücksichtslos feuern, kaum möglich ist.

"Sie starben für unsere Freiheit"

Mit dem Polizei- und Militäraufgebot will die Regierung wohl vor allem Handlungsfähigkeit beweisen und zumindest ein Gefühl der Sicherheit vermitteln. Der französische Präsident Hollande jedenfalls ehrte die drei Polizisten, die bei den Anschlägen ermordet wurden, bei einer Trauerfeier in der Pariser Polizeipräfektur. Er verlieh der Polizistin und ihren beiden männlichen Kollegen einen Orden und sagte: "Sie sind gestorben, damit wir in Freiheit leben können." Hollande versuchte, die anwesende Mutter des getöteten Polizisten Ahmed Merabet zu trösten. Der muslimische Franzose mit afrikanischen Wurzeln hatte am vergangenen Mittwoch vor dem Gebäude von "Charlie Hebdo" Dienst getan und war von einem der Attentäter kaltblütig erschossen worden. Nach einigen Wochen, wenn sich die aufgewühlte Stimmung der französischen Öffentlichkeit gelegt haben wird, werden auch die Sicherheitsmaßnahmen wieder zurückgefahren werden. Und dann?

Trauerfeier für die ermordeten Polizisten in Paris 13.01.2015
Hollande: Frankreich wehrt sichBild: picture-alliance/epa/Y. Valat

Anti-Terror-Gesetze sollen beschleunigt werden

Die französische Regierung hat bereits eine Verschärfung der Sicherheitsgesetze beziehungsweise die schnellere Einführung schon geplanter Maßnahmen beschlossen. Das Parlament hatte bereits Ende 2014 ein neues Anti-Terror-Gesetz beschlossen, das erst Ende dieses Jahres in Kraft treten sollte. Die Maßnahmen sehen eine stärkere Isolierung von Terrorverdächtigen und Islamisten in Gefängnissen vor. Einer der Täter, Cherif Kouachi, hatte bereits 2008 eine Haftstrafe wegen des Anwerbens von dschihadistischen Kämpfern verbüßt und offenbar in der Haft Kontakt zu Amedy Coulibaly aufgebaut, der den jüdischen Supermarkt in Paris überfiel und insgesamt fünf Menschen erschoss. Die Befugnisse der Geheimdienste sollen ausgebaut werden, beschloss das französische Kabinett. Die juristischen Probleme, die noch beim Abfangen von reisenden Dschihadisten bestehen, sollen zügig beseitigt werden, kündigte Premierminister Manuel Valls an. Die "Charlie Hebdo"- Täter, Said und Cherif Kouachi, sollen zwischen 2009 und 2011 mehrfach einzeln und gemeinsam in den Jemen gereist sein, um dort Kontakt zum örtlichen Al-Kaida-Ableger aufzunehmen und sich im Umgang mit Waffen ausbilden zu lassen.

Gedenken an die Opfer der Terroranschläge in Paris 13.01.2015
Denkmal in Paris: Die "Freiheit" trägt den ZeichenstiftBild: DW/B. Riegert

Weitere Terrorhelfer?

Französische Behörden geben die Zahl der so genannten "foreign fighter", die aus Frankreich in den Irak oder Syrien gereist sind, um dort für Terrorgruppen zu kämpfen, mit 1400 Personen an. Es handele sich hauptsächlich um radikalisierte Männer aus dem Islamisten-Millieu, so Beamte des französischen Innenministeriums. Die Polizei vermutet, dass noch eine Terrorzelle mit bis zu sechs Mitgliedern in Frankreich existiert, die die Attentäter unterstützt haben könnte. Eine Art Bekennervideo des Attentäters war erst nach dessen Tod bei der Stürmung des jüdischen Supermarktes durch Spezialtruppen der Polizei ins Internet gestellt worden. Nach Medienberichten trugen die Attentäter auch "GoPro"- Minikameras am Körper, mit denen sie ihre brutalen Verbrechen übertragen und aufzeichnen lassen konnten. Die Kamera der Kouachi-Brüder war beim Überfall auf "Charlie Hebdo" aber nicht eingeschaltet. Amedy Coulibaly soll das Blutbad, das er im jüdischen Supermarkt "HyperCacher" angerichtet hat, gefilmt haben. Es würde eine Speicherkarte geben, die jetzt ausgewertet würde, zitiert die Zeitung "Le Figaro" eine anonyme Polizeiquelle.

Frankreich will Passagierdaten sammeln

Innenminister Bernard Cazeneuve kündigte an, er wolle sich auf europäischer Ebene stärker für die Erfassung und Auswertung von Fluggast-Daten einsetzen. Bislang blockiert das Europäische Parlament aus Gründen des Datenschutzes ein entsprechendes EU-weites Verfahren. Die USA hatten die Erfassung der Passagierdaten nach den Terroranschlägen des 11. September 2011 eingeführt. Die beiden Kouachi-Brüder standen auf der Terrorliste der US-Behörden und hätten nicht in die USA per Flugzeug einreisen können. Die französischen Behörden hatten die als Islamisten bekannten Brüder ebenfalls beobachtet, die Überwachung aber vor einigen Monaten eingestellt.

Braucht Frankreich einen "Patriot's Act"?

Der ehemalige Chef des französischen Inlandsgeheimdienstes, Bernard Squarchini, fordert eine bessere Zusammenarbeit der verschiedenen französischen Geheimdienste. Die Einführung der Passagierdatenerfassung und -überprüfung sei zwingend notwendig. "Wir brauchen außerdem eine verbesserte Rahmengesetzgebung, die alles zusammenfasst. Im Moment ist alles zersplittert und es geht viel verloren", kritisierte Squarchini im "Figaro". Die konservative Opposition verlangt eine Art "Patriot's Act" auch für Frankreich. Mit diesem Gesetz hatten die USA ihren Geheimdiensten weitreichende Vollmachten zur Terrorabwehr und zur Datensammlung eingeräumt. Die Versuchung, einen Patriot's Act nach der Terrorwelle von Paris zu kreieren, sei groß, schreibt die Zeitung "Le Monde". Premierminister Valls weist das jedoch zurück. "Bessere Gesetzgebung ja, aber ich lehne Gesetze ab, die alles und jeden unter Generalverdacht stellen", sagte Valls in "Le Monde".

Gedenken an die Opfer der Terroranschläge in Paris 13.01.2015
Spontane Karikatur eines unbekannten Künstlers an einer Hauswand in Paris: Die Götter ändern sich, der Gotteslästerer bleibt.Bild: DW

Ein bisschen Wahlkampf

Der künftige Präsidentschaftskandidat der konservativen Oppositionspartei UMP, Nicolas Sarkozy, fordert ebenfalls schärfere Gesetze und besseren Schutz für Frankreich. Sarkozy, der vom jetzigen Präsidenten Hollande aus dem Amt gejagt wurde, will 2017 erneut antreten. Er gibt in diesen bedrückenden Tagen ganz den Staatsmann. In sozialen Medien in Frankreich wird schon gelästert, Sarkozy dränge sich förmlich auf, weil er auch beim Trauermarsch am Sonntag in der zweiten Reihe mitmarschierte und sich bis in die erste hineindrängelte. Sarkozy selbst sagte dem Fernsehsender RTL, er wolle "natürlich kein Öl ins Feuer gießen." Der Wahlkampf um das Präsidentenamt hat offenbar begonnen. Die dritte Bewerberin, die Chefin des rechtspopulistischen "Front National", hält sich mit den üblichen Islam-kritischen Äußerungen zurück. Marine Le Pen lobte das Titelbild des neuen "Charlie Hebdo"-Magazins, das am Mittwoch erscheint. Es zeigt den Propheten Mohammed mit dem Schild "Ich bin Charlie" unter der Überschrift "Alles ist vergeben." Das sei sehr ruhig und besonnen, sagte Marine Le Pen.