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Interview

27. Juli 2009

Die EU-Außenminister haben der EU-Kommission den Auftrag erteilt, die EU-Tauglichkeit der Atlantikinsel zu prüfen. Vorab sprach der isländische Außenminister Össur Skarphedinsson mit DW-WORLD.DE.

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Islands Außenminister Össur Skarphedinsson im Gespräch mit der Deutschen Welle (Foto: DW)
Islands Außenminister Össur Skarphedinsson im Gespräch mit der Deutschen WelleBild: Henn / DW

DW-WORLD.DE: Im Januar 2007 ist die EU mit den Beitritten Rumäniens und Bulgariens auf 27 Mitglieder angewachsen. Hätten Sie zu diesem Zeitpunkt gedacht, dass Island die Nummer 28 werden könnte?

Össur Skarphedinsson: Nein, ich hätte mir das zu diesem Zeitpunkt nicht träumen lassen. Natürlich ging ich davon aus, dass Länder wie Kroatien vorher dran wären. Doch jetzt bin ich froh, dass es so kommen könnte. Das sind harte Tage in Island und es gibt nicht vieles, was einen glücklich macht. Für mich persönlich ist das eine sehr positive Sache. Ich bin von allen Parlamentariern derjenige, der sich am längsten für einen EU-Beitritt meines Landes einsetzt. Doch ich weiß, dass es erst der Beginn einer langen Reise ist, die hoffentlich mit einem Beitritt Islands zur Europäischen Union enden wird.

Was kann die Europäische Union Ihrem Land bieten?

Wenn man langfristig denkt, auf Jahrzehnte hin, dann kann die EU uns Sicherheit geben. Ein oft übersehener Grund für unsere Bewerbung bei der EU ist, dass wir im Prozess sind, unsere Außen- und Sicherheitspolitik neu aufzustellen, seit die USA ihre Militärbasis auf Island 2006 aufgegeben haben. Wir dachten immer, dass wir bis in alle Ewigkeit von den USA geschützt würden. Langfristig zur starken Gruppe der EU-Staaten zu gehören, bringt Sicherheit. Kurzfristiger erhoffen wir uns definitiv die Mitgliedschaft in der Eurozone, denn die bitterste Erfahrung in den letzten Jahren – lange vor der aktuellen Krise – war die Schwierigkeit eines kleinen Inselstaates wie dem unseren, eine unabhängige Währung in einer globalisierten Welt zu erhalten.

Was kann Island der EU bieten?

Sehr viel. Wir können der Europäischen Union zum Beispiel unser Wissen und unsere Erfahrung zur Verfügung stellen, wenn es um erneuerbare Energie geht. Zum Beispiel, wenn es um Geothermie geht, eine Energieform, die in Europa bisher vernachlässigt wurde. Wir sind damit bisher in Brüssel auf taube Ohren gestoßen. Ich denke, wir könnten auf diesem Weg hin zur besseren Nutzung erneuerbarer Energien in der EU wegweisend tätig sein. Auch unsere geographische Lage ist für die EU attraktiv. Der Klimawandel wird innerhalb weniger Jahrzehnte einen neuen Weg vom Pazifik über die Arktis zum Nordatlantik ermöglichen. Und Island wird im Zentrum dieser Route liegen. Und nicht zu vergessen: Island wird in Zukunft wahrscheinlich auch Öl produzieren, was wichtig für Europa ist. Außerdem natürlich unsere Kompetenz in der Fischereipolitik. Das könnten wir nach Europa bringen. Wege aufzeigen, wie die EU es schaffen kann, nachhaltige Fischerei zu betreiben.

Isländische Kronen (Foto: DW)
Abschied von der Krone?Bild: Susanne Henn


Gleichzeitig bleibt die Kontrolle über die Fischereipolitik doch ein Problem, wenn es um einen EU-Beitritt Islands geht?

Ich habe nie versucht, zu vertuschen, dass die Fischerei die größte Hürde in den Verhandlungen in Brüssel sein wird. Aber mich ermutigt es, dass eine Veränderung in der EU-Politik zu sehen ist. Es gibt einen Willen, Entscheidungen vom Hauptquartier in Brüssel in die Regionen zu verlagern, wo die Fischgründe genutzt werden. Diejenigen, die die Ressourcen nutzen, sind immer die besten Experten, wenn es darum geht, sie zu erhalten.

Wie stark ist Islands Verhandlungsposition in Brüssel?

Ich kann überzeugt sagen, dass unsere Position stark ist. Wir beginnen den Verhandlungsprozess nicht aus einer Position der Schwäche heraus, auch wenn manche Leute das denken mögen, aufgrund der Krise. Doch dem ist nicht so: Auch ohne die EU-Bewerbung würden wir uns aus dieser Rezession recht schnell befreien. Schon 2011 wird man ein Wirtschaftswachstum sehen. Ich bin nicht zu besorgt über die Zukunft und es ist nicht so, dass wir in die Verhandlungen einsteigen mit den Gedanken, dass wir ohne Europa nicht leben können. Das können wir.

Ihre Prognose: Wann wird Island EU-Mitglied?

Viele Leute denken, dass die Verhandlungen kurz sein werden. Weil wir bereits Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schengenzone sind, was heißt, dass wir bereits 75 Prozent der Brüsseler Regeln und Direktiven übernommen haben. Aber ich bin nicht so optimistisch. Ich denke, es wird ein recht harter Verhandlungsprozess und länger dauern, als viele Leute glauben. Ich würde spekulieren, dass Island vielleicht nach drei Jahren Mitglied werden könnte.

Seit 1991 ist Össur Skarphedinsson Abgeordneter im Althing, im isländischen Parlament. Seit dem 1. Februar 2009 hat er das Amt des Außenministers inne.

Das Interview führte Susanne Henn.

Redaktion: Nicole Scherschun