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Kommentar: Nicht konkurrenzfähig

Joscha Weber Bonn 9577
Joscha Weber
19. Oktober 2017

Deutschland ist Weltmeister mit hochgelobter Jugendarbeit und einer der stärksten Ligen der Welt - eine Fußballmacht? Im Klubfußball nicht mehr, meint Joscha Weber, und kritisiert das deutsche Auftreten im Europapokal.

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Fußball Europa League Borissov vs. 1. FC Köln
Ideenlos, ratlos, punktlos: Der 1. FC Köln steht vor den Scherben seines Europapokal-Traumes. Bild: Getty Images/AFP/M. Malinovsky

Vielleicht versinnbildlicht diese Szene die deutsche Europapokal-Krise: 79. Minute in der Arena Lwiw, in der Sorja Luhansk wegen des Krieges in der Ostukraine seine Heimspiele austragen muss. Nach einer Ecke kann Alexander Karawajew an der Grundlinie ziemlich unbedrängt nach innen ziehen, die Gegenspieler von Hertha BSC stehen brav Spalier. Sie sehen zu, wie Karawajew in der Mitte Mitspieler Alexander Swatok bedienen kann. Der steht fünf Meter vor dem Tor, ebenfalls unbehelligt, und schiebt den Ball lässig per Hacke ins Tor. Swatok ist Innenverteidiger, Marktwert 700.000, also quasi nichts im internationalen Fußball. Er hat im Profifußball noch nie ein Tor erzielt. Weder in der ukrainischen Liga, noch im ukrainischen Pokal und erst recht nicht in der Europa League. Bis jetzt.

Man sollte Swatoks Tor nicht klein reden, dafür war es zu schön anzuschauen. Aber die Art und Weise, wie er dazu von Hertha BSC förmlichst und bittend eingeladen wurde, war erschreckend. Und zugleich irgendwie vertraut. Denn diese Passivität, ja Lethargie kennen die Fans der Hertha bereits aus den vorherigen Europapokal-Auftritten in dieser Saison. Hertha BSC, der Klub der deutschen Hauptstadt, steht bereits jetzt ziemlich abgeschlagen hinter dem Östersunds FK, Sorja Luhansk und Atletic Bilbao auf dem letzten Platz der Europa-League-Vorrundengruppe J. Wie kann es sein, dass ein 100 Millionen Euro schwerer Hertha-Kader sich von ukrainischen und schwedischen Underdogs so vorführen lässt?

Nicht reif genug für Europa

Weber Joscha Kommentarbild
DW-Sportredakteur Joscha Weber: "Anspruch und Wirklichkeit des deutschen Klubfußballs passen derzeit nicht zusammen."

Hertha-Trainer Pal Dardai antwortet mit einer Frage: "Man muss fragen, ob wir reif genug für Europa sind." Die Antwort lautet: Nein. Und das Schlimme dabei: Hertha BSC ist damit nicht allein. Der 1. FC Köln steht noch schlechter da. Beim weißrussischen Vertreter BATE Borissow gab es die dritte Pleite im dritten Spiel. Köln steckt tief in der Krise, auch in der Liga. Aber dass man auch gegen Gegner, die - bei allem Respekt - leistungsmäßig wohl kaum in der Bundesliga mithalten könnten, baden geht, lässt tief blicken. Der schwer angezählte FC-Trainer Peter Stöger spricht davon, dass man wohl "den einen oder anderen Fehler zu viel gemacht" habe und wirkt dabei so hilflos wie sein Team kurz zuvor auf dem Rasen. Auch Köln ist derzeit nicht europareif und wird sich, sollte kein Wunder mehr geschehen, sang- und klanglos aus der ersten Europapokal-Saison der Vereinsgeschichte seit 25 Jahren verabschieden.

Die Schreckens-Bilanz deutscher Teams im Europapokal lässt sich leider weiter fortsetzen: Der SC Freiburg scheiterte bereits in der Qualifikation am slowenischen Außenseiter NK Domzale, die TSG Hoffenheim schaffte es nicht in die Champions League und steht in der Europa League auf dem vorletzten Platz in Gruppe C. Borussia Dortmund geht es in der Champions League nach drei miserablen Auftritten noch schlechter: Sieglos steht der Champions-League-Finalist von 2013 auf dem letzten Platz. Einzig RB Leipzig und der FC Bayern München überzeugten bisher zumindest teilweise.

Der Bundestrainer ist alarmiert - zu Recht

Im Land des Fußball-Weltmeisters, das fast sieben Millionen organisierte Fußballer zählt, herrscht eine Sinnkrise. Die so hochgelobte Bundesliga, die es mit Premier League und Primera División aufnehmen will, bringt derzeit - positiv formuliert - ihre PS nicht auf die Straße. Kritischer formuliert: Hinter den in den letzten Jahren dominanten Bayern gibt es derzeit kein Team von europäischem Format. Dass es nicht mal gegen Fußballzwerge wie NK Domzale, PFC Ludogorets 1945 oder Bate Borissow reicht, zeigt, wie ernst die Lage ist.

"Das ist schon auch alarmierend", befand kürzlich Bundestrainer Joachim Löw und er hat Recht. In der Uefa-Rangliste für die aktuelle Saison lag Deutschland nach der ersten Pleitenserie im Europapokal auf Rang 27 - hinter Kasachstan, Weißrussland und Mazedonien. Derweil verkauft sich die Bundesliga auf der Suche nach neuen Absatzmärkten im Ausland ziemlich laut als "deutsche Erfolgstory". Anspruch und Wirklichkeit des deutschen Klubfußballs passen derzeit nicht zusammen.

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