Neuer Konflikt in Kosovo: Dinar versus Euro
15. Februar 2024Ab Anfang Februar 2024 darf die serbische Währung Dinar eigentlich nicht mehr in Kosovo als Zahlungsmittel verwendet werden. Das hatte die Regierung in Prishtina entschieden. Stattdessen sollte überall im Land, auch in den serbischen Gemeinden, nur noch der Euro eingesetzt werden. Er ist seit 2002 offizielles Zahlungsmittel in der ehemaligen serbischen Provinz Kosovo, die seit 2008 ein unabhängiger Staat ist.
Im Norden der heutigen Republik Kosovo, wo 95 Prozent der Bevölkerung zur serbischen Minderheit gehören und die Straßen mit serbischen Fahnen gespickt sind, werden alle Geschäfte in serbischen Dinar abgewickelt. Im Ort Zubin Potok stehen lange Schlangen an der Postbank an, um dort Dinar abzuheben, die für das tägliche Leben benötigt werden.
Der 26-jährige Kosovo-Serbe Milos Vucinic lebt in Zupce, einem kleinen Dorf in der Nähe der Gemeinde Zubin Potok bei seinen Eltern. Die Artikel des täglichen Bedarfs bekommt er im kleinen Dorfladen. Bisher hat er dort mit Dinar bezahlt. Das war schon immer so, seit Milos denken kann. Doch nun soll sich das ändern. "Die Entscheidung, die Premierminister Kurti in Bezug auf den Dinar getroffen hat, wirkt sich auf die Menschen im Norden aus", beklagt er.
Und wie? Milos' Mutter Jelena arbeitet als Erzieherin in einem serbischen Kindergarten in Zubin Potok. Die Einrichtung wird vom Bildungsministerium in Belgrad finanziert, ihr Gehalt hat sie bisher über in Serbien zugelassene Banken in Dinar bekommen. Doch nun erkennt die kosovarische Zentralbank nur noch den Euro als Zahlungsmittel an. Daher musste sie ihr Februar-Gehalt im 42 Kilometer entfernten Raska in Serbien abheben.
Drei Monate Aufschub
Die Umstellung, die nicht nur den Dinar, sondern alle Fremdwährungen betrifft, sollte ab dem 1. Februar 2024 gelten. Nur drei Tage später beschlagnahmte die kosovarische Polizei einen Transporter mit vier Millionen Dinar an der grenze zu Serbien. Ein weiterer Transporter wurde abgewiesen. Im serbisch dominierten Norden der geteilten Kosovo-Stadt Mitrovica protestierten Tausende gegen die Verordnung, die internationale Gemeinschaft kritisierte die einseitige und kurzfristige Maßnahme der kosovarischen Nationalbank.
Am 12. Februar 2024 lenkte die Nationalbank ein und erlaubte eine Übergangszeit von drei Monaten. Mit Raiffeisen, NLB und ProCredit wurden drei Banken lizenziert, die sowohl in Serbien als auch in Kosovo vertreten sind. Sie dürfen Dinar erhalten und in Euro konvertieren. Außerdem wurden Vorschläge gemacht, wie die Menschen in Kosovo zukünftig Dinar in Euro tauschen können.
Serbische Parallel-Strukturen in Kosovo
"Dieses Problem betrifft nicht nur den Norden Kosovos, sondern die gesamte serbische Bevölkerung Kosovos, da sie sich direkt auf Gehälter, Renten und Sozialhilfe für etwa 95.000 Menschen auswirkt", sagt Ilir Deda, Europe's Futures Fellow vom Institut für Humanistische Wissenschaften in Wien. Denn Serbien unterhält in Kosovo weiterhin Schulen und Hospitäler, außerdem Büros, in denen die Kosovo-Serben zum Beispiel ihre Rentenzahlungen regeln können.
Für den ehemaligen kosovarischen Abgeordneten Deda ist die Währung nicht das zentrale Thema. "Der Kern dieser Krise ist nicht die Verwendung von Währungen, sondern das Fehlen einer umfassenden Lösung für die von Serbien finanzierten und kontrollierten Institutionen in Kosovo", sagt er.
Die Lösung will die EU mit ihrem sogenannten Dialog zwischen Belgrad und Prishtina erreichen. Der aber steckt seit 2013 mehr oder weniger fest. In letzter Zeit waren der für den Dialog zuständige Sonderbeauftragte Miroslav Lajcak und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nur damit beschäftigt, die Eskalationen und drohenden gewalttätigen Auseinandersetzungen, zum Beispiel um Autokennzeichen, einzudämmen.
Der letzte Versuch, den Dialog wiederzubeleben, fand im März 2023 im mazedonischen Ohrid statt. Die dort getroffene Vereinbarung wurde aber nicht unterzeichnet. Im Gegenteil: Im Dezember 2023 schickte die serbische Premierministerin Ana Brnabic ein Schreiben nach Brüssel, in dem sie förmlich bestätigte, dass sie weder das Abkommen von Brüssel noch das von Ohrid als rechtsverbindlich ansehe und sich an viele der darin enthaltenen Punkte nicht halten werde.
Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates
Für Branislav Krstic, kosovo-serbischer Journalist und politischer Analyst aus Nord-Mitrovica, ist die aktuelle Verordnung "eine Verletzung kollektiver Rechte. Die Entscheidung über den Dinar wirkt sich direkt auf unser Leben aus. Das Hauptziel besteht darin, das Überleben der Serben in Kosovo unmöglich zu machen."
Genau so sieht es auch der serbische Präsident Aleksandar Vucic. Er stellte einen Dringlichkeitsantrag für eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und "Bruch der Kosovo-Resolution 1244". Tatsächlich befasste sich der Weltsicherheitsrat am 8. Februar mit dem Thema, und die Kontrahenten konnten ihre Positionen darlegen.
Kosovos Premierminister Albin Kurti bekräftigte gegenüber dem Gremium, dass die Einführung und Durchsetzung einer einheitlichen Währung im gesamten Staatsgebiet Kosovos keine Rache an der serbischen Minderheit sei, sondern sich gegen illegale Geldgeschäfte richte. Außerdem versprach er eine bessere Kommunikation und Erleichterungen für die Kosovo-Serben bei der Währungsumstellung.
Der UN-Sicherheitsrat verwies auf den von der EU moderierten Dialog: Dort sei der Ort, um solche Konflikte zu lösen.
Dem stimmt auch der Politik-Experte Ilir Deda zu. "Der EU-Dialog ist ein sehr herausfordernder Prozess, aber er ist der einzige, den wir haben und der in naher Zukunft stattfinden wird", sagt er im Gespräch mit der DW. "Ohne ein entschlossenes, glaubwürdiges und visionäres Engagement des Westens wird das Kapitel Normalisierung der Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien nicht abgeschlossen werden können.”
Die von Prishtina verordnete Regelung hat viele gewohnte Abläufe unmöglich gemacht. So werden zum Beispiel gute serbische Schüler in Kosovo von Serbiens Regierung in Belgrad mit Stipendien gefördert. Studenten bekommen etwa 12.000 Dinar (ca. 100 Euro) pro Monat als Unterstützung. Wie dieses Geld jetzt an die Empfänger kommen soll, ist noch nicht klar, eine Lösung muss in der dreimonatigen Übergangsfrist gefunden werden.
Milos, der in Zubin Potok eine serbische Schule besucht hat, machen diese Vorgänge Angst. Er fragt sich, was als nächstes kommen könnte: "Ein kosovarischer Stempel auf unseren Zeugnissen und Diplomen oder gar ein Verbot der serbischen Schulen?" Für ihn ist klar: Die Zukunft der serbischen Minderheit in Kosovo ist ungewiss. Er selbst sieht seine Zukunft in Belgrad. Oder im Ausland.