Kritik an Polizei in Hongkong
4. Oktober 2014Demonstranten, Reporter und Abgeordnete warfen der Polizei übereinstimmend vor, am Freitag nicht gegen die Angriffe von Schlägern auf friedliche Demonstranten eingeschritten zu sein. "Diese Anschuldigungen sind erfunden und maßlos", erwiderte Hongkongs Sicherheitschef Lai Tung-kwok am Samstag vor Journalisten.
Die bis dahin weitgehend friedlichen Proteste waren in der Nacht zu Freitag in Gewalt umgeschlagen. Dabei hatte es 18 Verletzte gegeben, darunter sechs Polizisten. Hinter den gewaltsamen Übergriffen auf Demonstranten standen zum Teil auch angeheuerte Schläger mit Beziehungen zu den Triaden genannten, mafiaähnlichen chinesischen Unterweltbanden, wie die Polizei berichtete.
Regierungschef fordert Ende der Blockaden
Der Abgeordnete Albert Ho sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Polizei habe sich "sehr nachsichtig gegenüber den Triaden-Aktivitäten" gezeigt. "Ich habe Grund zu der Annahme, dass das die letzte Option für Hongkongs Mächtige ist, um die Proteste von der Straße zu bekommen", sagte Ho. Der Abgeordnete James To sagte der "South China Morning Post", er könne nicht glauben, dass die in Triaden-Fragen erfahrene Polizei die kriminellen Angreifer nicht erkannt habe.
Der Club der Auslandskorrespondenten in Hongkong erhob ebenfalls schwere Vorwürfe. Der Verein sei "sehr verstört" über Berichte von Angriffen auf Journalisten durch Polizeikräfte oder mit deren Duldung, erklärte der Verein. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte zudem, es habe bei den Zusammenstößen mehrfach sexuelle Übergriffe auf weibliche Demonstranten gegeben.
Merkel betont Recht auf Meinungsfreiheit
Sicherheitschef Lai sagte, auch er habe die Vorwürfe vernommen, die Polizei sei gegenüber den Triaden blind oder würde mit diesen zusammenarbeiten. Auch Polizeichef Patrick Kwok dementierte die Berichte. Die Polizei nahm 19 Menschen fest, von denen acht in Verbindungen zu den Triaden haben sollen.
Viele Tausend Menschen strömten am Samstag auf die Straßen (Foto). Die Studenten riefen im Stadtteil Admiralty nahe dem Regierungssitz zu einem "Aufmarsch gegen Gewalt" auf, zu dem sich mehr als Zehntausend friedlich versammelten. Zuvor war es zu neuen Zwischenfällen gekommen, als Gegner der Proteste gewaltsam die Lager der Studenten im belebten Geschäftsviertel Mong Kok auf der Halbinsel Kowloon räumten.
Hongkongs Regierungschef Leung Cun-ying forderte ultimativ ein Ende der Blockaden bis Montag. Nach den Ausschreitungen zwischen Protestgegnern und Demonstranten rief er beide Seiten eindringlich zur Ruhe auf. Er verurteilte alle Gewalt und warnte, wenn die Zwischenfälle andauerten, könnte die Lage "sehr leicht außer Kontrolle geraten".
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte das Recht der Hongkong-Chinesen auf Meinungsfreiheit. In Hongkong sei die Meinungsfreiheit gesetzlich verankert, sie müsse auch weiter garantiert sein, betonte die Kanzlerin in ihrem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast.
pg/hf (dpa, afp)