1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Liebe in Zeiten von Corona

Mirjam Benecke
22. Dezember 2020

Die Reisebeschränkungen wegen der Corona-Pandemie haben binationale Paare und Familien hart getroffen. Während die einen nicht wissen, wann sie ihre Liebsten wiedersehen, freuen sich andere über ein Weihnachtswunder.

https://p.dw.com/p/3mYXD
Symbolbild | Fernbeziehung | Videocall
Liebe mit Abstand: Die Corona-Pandemie verlangt jungen Paaren enorm viel Geduld ab Bild: Colourbox

Es sind ja nur drei Monate. Dieser Gedanke tröstet Felix Urbasik und seine Partnerin, als sie sich im Februar in der Abflughalle des Düsseldorfer Flughafens Lebewohl sagen. "Da haben wir noch über das ominöse Virus in China gewitzelt", sagt Urbasik. Seine 25-jährige Freundin April aus Sydney steigt in den Flieger zurück nach Australien. Im Frühsommer will die Grafikdesignerin wieder nach Deutschland reisen.  

Seit zwei Jahren sind die beiden ein Paar. "Wir wollten gerade so richtig loslegen und uns ein gemeinsames Leben aufbauen", erzählt der 27 Jahre alte Softwareingenieur. Doch dann breitet sich das Coronavirus auf der ganzen Welt aus.

In den ersten Monaten hat das Paar noch Verständnis für geschlossene Grenzen und Einreiseverbote. "Uns war klar, dass wir uns erstmal eine Weile nicht sehen", erzählt Urbasik. "Wir wollten ja auch nicht, dass sich dieses Virus weiter verbreitet." 

Binationale Paare | Felix Urbasik mit Freundin April
Unfreiwillig getrennt: Felix Urbasik und seine Freundin AprilBild: Privat

Liebe ist kein Tourismus

Im Sommer entspannt sich die Infektionslage in vielen Ländern Europas ein wenig. Das ist der Moment, an dem Felix Urbasik und seine Freundin stutzen. "Wir dachten uns: Moment mal, wie kann es sein, dass andere in den Sommerurlaub fahren, und wir können uns nicht wiedersehen?" 

Diese Frage stellen sich auch tausende andere unverheiratete Paare, bei denen ein Partner in einem Nicht-EU-Staat wohnt und der andere innerhalb der EU. Unter dem Hashtag #LoveIsNotTourism fordern Liebende im Internet deshalb weltweite Lockerungen der Einreisebeschränkungen für unverheiratete Paare.

 Auch Felix Urbasik wird aktiv. Er erstellt im Juni eine Internetseite, auf der sich Paare über Einreisebestimmungen vieler Ländern austauschen und Petitionen unterschreiben können. 

"Ich hab mich an einem Freitag hingesetzt, das ganze Wochenende gearbeitet und am Sonntagabend war die Seite online", sagt der 27-Jährige. "Am Anfang hatte ich 4000 bis 5000 Zugriffe pro Tag. Das ging erstmal heftig durch die Decke und um die Welt."

Paar hofft auf baldige Hochzeit

Kurz darauf zeigen sich die ersten Erfolge. Etliche EU-Länder - auch Deutschland - lockern die Einreisebestimmungen für unverheiratete Paare. "Das hat mich natürlich riesig gefreut", sagt Urbasik. "Nur brachte uns das in unserem persönlichen Fall leider nicht so viel."

Denn Freundin April durfte zwar nach Deutschland einreisen, aber ihre Heimat erst einmal nicht verlassen, denn Australiens Regierung fährt eine Strategie der Abschottung. Sowohl für die Einreise als auch für die Ausreise sind Sondergenehmigungen nötig.

Felix Urbasik und seine Partnerin haben nach Monaten der Planung und unzähligen Behördengängen schließlich doch noch einen Weg gefunden, zusammen zu kommen. April wird, wenn alles klappt, im Januar nach Deutschland fliegen. "Sobald wir die Möglichkeit haben, werden wir sofort beim Standesamt auf der Matte stehen und heiraten", versichert Felix Kurbasik. 

Ausnahmezustand für binationale Familien

Für unverheiratete Paare ist es inzwischen wesentlich leichter, einander wiederzusehen - bei Familien, die über Ländergrenzen hinweg verteilt leben, sieht das anders aus. "Das finde ich nicht fair", sagt Francis França Tiebot. "Partner, die vielleicht nur sechs Monate zusammen sind, dürfen einreisen. Aber meine Mutter darf ihre Tochter und ihr Enkelkind nicht besuchen."

Russland Moskau Passanten mit Masken Roter Platz
Maskenpflicht am Roten Platz: Passanten auf dem Weg durch Moskau Bild: Mikhail Metzel/Tass/dpa/picture alliance

Francis França Tiebot ist gebürtige Brasilianerin und lebt seit elf Jahren mit Ehemann und Kind in Deutschland. Sie leitet die Brasilianische Redaktion der DW. Ihre Mutter wohnt in der brasilianischen Stadt Florianópolis, etwa 700 Kilometer südlich von São Paulo.

Eigentlich hätte França Tiebots Mutter im Mai nach Deutschland kommen und die Kinderbetreuung für ihren einjährigen Enkel übernehmen sollen. Das Flugticket war gebucht. Doch dann machte die Corona-Pandemie der Familie einen Strich durch die Rechnung. 

Francis França Tiebot steht hinter den Maßnahmen gegen das Coronavirus. Dennoch kann sie nicht verstehen, warum ganze Touristengruppen im Sommer nach Mallorca und Kroatien fliegen durften, während ihrer Mutter die Einreise verwehrt blieb. 

"Meine Mutter hatte schon ein paar Lungenentzündungen in ihrem Leben, deshalb ist sie sehr vorsichtig und bleibt zu Hause", sagt Francis França Tiebot. "Ich konnte garantieren, dass sie auch bei uns isoliert bleiben würde. Es gibt keinen Grund, warum die Einreise nicht erlaubt sein sollte. Meine Mutter wäre für eine Infektionskette doch viel weniger gefährlich als die meisten Europäer."

"Corona ist nicht müde"

Seit dem Sommer hat sich die Infektionslage in vielen EU-Ländern - so auch in Deutschland - wieder verschärft. Ein gemeinsames Weihnachtsfest mit Eltern und Schwiegereltern fällt für die Familie França Tiebot deshalb aus. "Das Risiko ist zu hoch", sagt die Journalistin. “Die Leute sind vielleicht coronamüde, aber Corona ist nicht müde."

Corona-Impfungen in Moskau

So gut es geht, versucht sie, über das Internet Kontakt zur Mutter zu halten. "Wir sprechen jeden Tag über WhatsApp und machen jede Woche Videoanrufe, damit sie sich nicht so allein fühlt." Hart sei es trotzdem.

Auch Vladimir weiß, wie es ist, plötzlich von der Familie getrennt zu sein. Der Journalist stammt aus Russland und wohnt in Berlin. Vladimirs Schwester lebt im Süden Spaniens, seine Mutter in Sankt Petersburg im Nordwesten Russlands.

"Für mich begann alles am 15. März. Die Welt brach langsam zusammen", erzählt Vladimir der DW. An diesem Tag fliegt er von Lanzarote über London zurück nach Berlin. An den Flughäfen stellen ihm Sicherheitskräfte viele Fragen zu seinem russischen Pass. "Da lag schon irgendwas in der Luft", so der Journalist. "Alle waren total panisch, und die Airlines haben massenweise Flüge abgesagt."

Von Berlin über Istanbul nach Sankt Petersburg

Kurz darauf kommt der internationale Flugverkehr fast vollständig zum Erliegen. Für Vladimir, der vor der Pandemie im Schnitt alle zwei Wochen in ein Flugzeug gestiegen ist, ändert sich damit alles. Erst Ende August kann sich Vladimir wieder auf den Weg zu seiner Verwandtschaft nach Sankt Petersburg machen.

Allerdings nicht wie sonst mit einem Direktflug ab Berlin, der etwa zwei Stunden braucht. Stattdessen muss er einen einen Stopp in der Türkei machen, von wo aus seit August wieder Flüge nach Russland angeboten werden. 

In Russland gelten seit Beginn der Pandemie fast identische Hygienevorschriften wie in Deutschland. "Mit dem kleinen Unterschied, dass sich dort niemand an diese Vorgaben hält", sagt Vladimir. Als er im Spätsommer auf den Straßen des Landes unterwegs ist, habe kaum jemand einen Mundschutz getragen. "Ich war die ganze Woche der einzige, der eine FFP2-Maske getragen hat."

Binationale Paare | Lena und Matt
Glücklich vereint nach zehn langen Monaten: Matt und LenaBild: Privat

Im Dezember möchte Vladimir wieder nach Sankt Petersburg reisen, um mit seiner Mutter Weihnachten zu feiern. Diesmal fliegt er über Zürich. Ein Ticket hat er schon gebucht. "Aber allein der Hinflug wurde bestimmt schon fünfmal von der Airline umgebucht", sagt Vladimir. "Es ist alles sehr surreal."

Lange Trennung mit Happy-End

Ein vorgezogenes Weihnachtswunder haben dagegen Lena und Matt erlebt. Die beiden sind seit einem Jahr ein Paar. Sie lebt in Deutschland. Er in den USA. Im letzten Winter hat die 24-Jährige ihren Freund zuletzt gesehen. Die Pläne für den nächsten Besuch standen fest. "Aber dass die Welt dann so lange stillsteht hätten wir nie gedacht", sagt Lena der DW.

Zweimal versuchen Lena und Matt nach Ausbruch der Pandemie, eine Reise in die USA zu organisieren. Doch beide Versuche scheitern. Der Grund: Seit Mitte März 2020 gilt in den Vereinigten Staaten ein Einreiseverbot für Personen, die sich innerhalb eines Zeitraums von 14 Tagen vor der Einreise in Deutschland oder einem anderen Land des Schengenraums aufgehalten haben.

Bei ihrer Suche nach einem neuen Treffpunkt kommen die beiden auf Mexiko. Diesmal klappt es. Lena fliegt Anfang Dezember ins südliche Nachbarland der USA. Als sie den Flughafen von Mexiko City verlässt und mit Matt die Straße entlangläuft, kann sie ihr Glück kaum fassen. "Ich habe einen ganzen Tag gebraucht, um zu begreifen, dass das jetzt wirklich wahr ist", sagt Lena.

Weihnachten und Silvester wird sie mit Matt in den USA verbringen. Der Wunsch fürs neue Jahr steht auch schon fest. "Einreisebeschränkungen haben durchaus einen Sinn, aber Partner und Familien sollten das Recht haben, sich zu sehen", sagt Lena. "Ich wünsche mir einfach, dass die Welt wieder zusammenrückt - auch mit Abstand und Maske."