Theresa Mays Kabinett erodiert
8. November 2017Innerhalb einer Woche verliert Großbritanniens Premierministerin Theresa May bereits das zweite Kabinettsmitglied. Die Ministerin für internationale Entwicklung, Priti Patel, ist zurückgetreten. Sie hatte Kritik auf sich gezogen, weil sie sich insgesamt zwölf mal mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu und weiteren Politikern in Israel getroffen hatte, ohne dass die Regierungschefin davon wusste. Auch im September traf sich Patel laut britischer Nachrichtenagentur Press Association mit dem israelischen Minister für innere Sicherheit, Gilad Erdan, und dem Generaldirektor des israelischen Außenministeriums, Juval Rotem. Und auch das verschwieg sie der Regierung. May mahnte Patel zunächst öffentlich ab, enthob sie aber noch nicht ihres Amtes.
Politik auf eigene Faust?
Doch dann verzettelte sich Patel mit Aussagen darüber, wann Außenminister Boris Johnson von den Treffen erfahren hatte, bei denen sie über die Möglichkeit britischer Hilfen für die medizinische Versorgung syrischer Flüchtlinge auf den von Israel besetzten Golanhöhen diskutierte. Dass dies auch eine Finanzierung der israelischen Armee beinhalten würde, welche die Versorgung der Flüchtlinge ermöglicht, verschwieg die Ministerin in London ebenfalls.
Großbritannien sieht den Golan als besetztes Gebiet an, weshalb eine Finanzierung der israelischen Streitkräfte dort keinesfalls in Frage kommt. Patel hat sich in einem Brief an May für ihr Verhalten entschuldigt, an ihrem Rücktritt führte aber kein Weg mehr vorbei.
Vergangene Woche hatte bereits Verteidigungsminister Michael Fallon sein Amt niedergelegt, weil ihm sexuelle Belästigung vorgeworfen wurde. Und May muss um weitere Minister bangen. Ihr Stellvertreter, Kabinettschef Damian Green, sieht sich ebenfalls Belästigungsvorwürfen ausgesetzt. Und Außenminister Johnson steht wegen einer Äußerung in der Kritik, die nach Ansicht von Angehörigen schwerwiegende Folgen für eine im Iran inhaftierte Britin haben könnte.
Die britische Regierungschefin war schon vor den beiden Rücktritten politisch geschwächt. Mays tief gespaltenen Konservativen hatten bei der Parlamentswahl die absolute Mehrheit verloren und sind auf die Zusammenarbeit mit einer kleinen nordirischen Partei angewiesen. Zudem kommen die Brexit-Gespräche mit der EU nur schleppend voran. Patel setzte sich anders als May energisch für den EU-Austritt ein. Mit dem Rücktritt könnten konservative Abgeordnete die Premierministerin stärker unter Druck setzen, in den Beziehungen zur EU einen klaren Schnitt zu wagen.
sam/rb (afp, dpa)