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Skat: Ein Lieblingsspiel der Deutschen

Elizabeth Grenier
30. Oktober 2022

Trotz komplizierter Spielregeln gibt es mehr Menschen, die Skat spielen als Fußball. Das Spiel ist eine deutsche Tradition - und immaterielles Kulturerbe.

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Skatkarten
Kreuz, Piek, Herz, Karo - so sehen deutsche Skatkarten ausBild: McPhoto/Luhr/IMAGO

Um ganz ehrlich zu sein: Ich bin mir nicht sicher, ob ich es jemals lernen werde. Ich habe es versucht, ein bisschen zumindest. Immerhin es ist für mich als Kanadierin, die seit 15 Jahren in Deutschland lebt und ansonsten gut integriert ist, auch schön zu wissen, dass ich noch etwas lernen kann, das mich "noch deutscher" machen würde: Skat spielen. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass es kein Spiel ist, das man einfach so durchs Beobachten erlernen kann.

"Bei Poker kann man eine halbe Stunde lang Anderen beim Spiel zuschauen und dann selbst spielen, während die meisten Menschen ihr ganzes Leben lang Skat spielen und es immer noch nicht kapieren", sagt Skat-Experte Jan Ehlers.

Doch trotz der komplizierten Spielregeln gibt es in Deutschland mehr Leute, die Skat spielen als Fußball: 20 bis 25 Millionen, schätzt der Deutsche Skatverband. Allein in Berlin gebe es 200 Skatvereine, die sich mindestens ein Mal in der Woche zum Spielen treffen, sagt Ehlers.

Jan Ehlers bei einem Skatspiel in Berlin
Jan Ehlers setzte sich dafür ein, dass Skat immaterielles Kulturerbe wirdBild: Elizabeth Grenier/DW

In seiner Funktion als ehemaliger Vizepräsident des Deutschen Skatverbands unterstützte Ehlers 2016 die Bewerbung um die Aufnahme des Spiels in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der deutschen UNESCO-Kommission.

Geschicklichkeit ist wichtiger als der Zufall

Skat ist ein Strategie-Kartenspiel für drei Spieler. Zu Beginn jeder Runde muss durch das sogenannte Reizen bestimmt werden, welcher Spieler als Solist gegen die beiden anderen spielt. Das Reizen basiert auf den Gewinnchancen jedes Spielers entsprechend der Karten, die ausgeteilt wurden: Der Höchstbietende wird Alleinspieler. Die Spieler der Gegenpartei bilden eine temporäre Allianz für die Runde, dürfen sich aber im Spielverlauf nicht absprechen - die Karten, die sie spielen, müssen für sich sprechen.

Traditionell werden deutsche Spielkarten - mit Eicheln, Blättern, Herzen und Schellen - verwendet, aber das international verbreitete französische Blatt funktioniert ebenso, da es nur 32 Karten im Spiel gibt. Jede Karte hat einen bestimmten Wert, insgesamt gibt es 120 Punkte. "Und der Sieger ist immer der, der mehr als die Hälfte der Punkte hat", erklärt Ehlers, mit Ausnahme der sogenannten Nullspiele.

Für ihn und viele andere Skat-Fans ist bei diesem Spiel Geschicklichkeit wichtiger als der Zufall. "Um Skat zu spielen, braucht man ein gutes Gedächtnis. Man muss Kopfrechnen können. Ein guter Skat-Spieler zählt natürlich die Karten, die in jeder Runde gespielt werden."

Wie alles begann

1813 schrieb der Kammerherr Hans Karl Leopold von der Gabelentz, ein Beamter der thüringischen Stadt Altenburg, in einem Notizbuch seine Siege und Niederlagen für das Spiel "Scat" auf. Es ist die älteste bekannte schriftliche Erwähnung des Kartenspiels.

Skatspielen
Werbeplakat der Stadt Altenburg: Hier hat Skat seinen UrsprungBild: Imago/H. Rudel

In jenem Jahr waren Tausende von Soldaten in Altenburg stationiert, als Vorbereitung auf die Völkerschlacht bei Leipzig während der Napoleonischen Kriege. Mit einer halben Million Soldaten und 127.000 Opfern ging sie als größte Schlacht Europas vor dem Ersten Weltkrieg in die Geschichte ein. Während sie auf den Kampf warteten, verbrachten die Soldaten viel Zeit mit Kartenspielen. Sie waren es, die dazu beigetragen haben, dass das Spiel zu einem beliebten Zeitvertreib wurde.

Das Spiel - heutzutage "Skat" geschrieben - wurde nach dem italienischen "scartare" benannt, das sich auf das Abwerfen, beim Skat "Drücken" genannt, der beiden Karten zu Beginn des Spieles bezieht.

Skat bei Remarque, Tucholsky und Strauss

Romane, Gemälde und sogar eine Oper huldigen dem Spiel. In Erich Maria Remarques Klassiker "Im Westen nichts Neues", der während des Ersten Weltkriegs spielt, wird Skat mehrfach erwähnt. In einer Szene versuchen die in den Schützengräben sitzenden Soldaten sich von den verrückt gewordenen Kameraden und den Schießereien an der Front abzulenken: "Kat schlägt vor, Skat zu spielen; - was soll man tun, vielleicht ist es leichter dann."

Später im Buch hilft eine Gruppe Soldaten einem verwundeten Kameraden, der bei seiner ersten Begegnung nach zwei Jahren mit seiner Frau das Krankenhausbett nicht verlassen kann. Die Männer wenden dem Paar, während es Sex hat, den Rücken zu und spielen Skat, "laut" und "mit allerhand Redensart."

Konzentrierte Skat-Spieler sind in der Regel nicht laut, auch wenn Schriftsteller Kurt Tucholsky das Spiel 1920 sarkastisch als den nationalen Ausdruck der Freude bezeichnete: "Wenn dem Deutschen so recht wohl ums Herz ist, dann singt er nicht. Dann spielt er Skat."

Dix-Bild "Die Skatspieler": drei Männer, die stark entstellt dargestellt werden, spielen Skat
"Die Skatspieler" von Otto DixBild: dpa/picture-alliance

Im selben Jahr, in dem Tucholsky diese Worte schrieb, schuf Otto Dix "Die Skatspieler", ein Gemälde, das drei deutsche Offiziere beim Kartenspielen zeigt. Es ist jedoch keine Szene der Freude: Sie sind extrem entstellt, fehlende Körperteile werden durch Prothesen ersetzt. Das Werk, das heute in der Sammlung der Neuen Nationalgalerie in Berlin zu sehen ist, kritisierte die Schrecken des Krieges deutlich. Nach Ansicht von Kunsthistorikern stammte die Inspiration für das Gemälde aus einer echten Szene, die Dix in einem Café beobachtet haben sollte.

Aber nicht alle Darstellungen von Skat in der Popkultur beziehen sich auf den Krieg. Komponist Richard Strauss, der selbst ein leidenschaftlicher Skat-Spieler war, arbeitete in seine komische Oper "Intermezzo" – uraufgeführt 1924 – eine Szene ein, in der sein Alter Ego das Kartenspiel spielt.

Skat erscheint auch in Romanen der Nachkriegszeit, darunter in zwei Werken deutscher Nobelpreisträger: Heinrich Bölls Erzählung "Der Zug war pünktlich" und Günter Grass' Roman "Die Blechtrommel". Unter anderem dient das Kartenspiel für drei Spieler als Metapher für das Liebesdreieck zwischen der Mutter von Oskar Matzerath und seinen zwei vermutlichen Vätern. Grass war selbst ein profilierter Skat-Spieler.

Und der Nachwuchs?

Altbundeskanzler Gerhard Schröder spielt Skat
Skat-Fan: Altbundeskanzler Gerhard SchröderBild: Marcus Führer/dpa/picture-alliance

Was Jan Ehlers an dem Spiel fasziniert, ist, dass es Menschen aller Altersgruppen und sozialen Schichten zusammenbringt. Wenn sich Spieler zu einem Spiel oder einem Turnier treffen, so Ehlers, würden Doktor- oder Professortitel, die in Deutschland sonst so wichtig seien, keine Rolle mehr spielen. Man ist per du, gesiezt wird nicht. "Als ich mit Gerhard Schröder [Anm.d.Red.: ehemaliger Bundeskanzler und Skat-Enthusiast] gespielt habe, habe ich ihn auch informell angesprochen."

Das beliebte Spiel zieht auch Spieler aller Altersgruppen an. Ehlers glaubt, dass zehnjährige Kinder das Spiel leicht lernen können - er selbst lernte es mit sechs Jahren, in den Pausen, die er machte, während er seinem Urgroßvater beim Hüten der Kühe half. 2016 wurde das in Deutschland berühmte Kartenspiel in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Obwohl ehrenamtliche Helfer aus den verschiedenen Landesverbänden des Deutschen Skatverbands Kindern das Spiel beibringen, könnte die Tradition jedoch aussterben. Viele begeisterte Skat-Spieler werden alt. Was die jüngere Generation betrifft, so hat sie statt einem Deck mit 32 Karten, meist ein Smartphone in der Hand, um Langeweile zu vertreiben.

Mehr Inhalte über die Deutschen und ihre Eigenarten, deutsche Alltagskultur und Sprache finden Sie bei YouTube, auf unserer Seite dw.com/MeettheGermans_de und auf dem Instagram-Account dw_meetthegermans.

Adaption ins Deutsche: Maria John Sanchéz.

Dieser Artikel wurde bereits 2021 veröffentlicht.  

Skatspiel-Tradition