Nahkampf Clement-Sarkozy
Bundeswirtschafts- und -arbeitsminister Wolfgang Clement ist sauer. Nun sind also die Werften dran. Dabei wollte Frankreichs Finanz- und Wirtschaftsminister Nicolas Sarkozy doch eigentlich bei dem ursprünglich für den 14.10. geplanten Treffen der beiden Superminister "eine Reihe Missverständnisse" ausräumen. Mit seinem Vorschlag, einen europäischen Werftenverbund zu schaffen und in diesen eine defizitäre Sparte des französischen Alstom-Konzerns zu integrieren, verärgerte er Clement aber so sehr, dass dieser das Treffen platzen und voraussichtlich auf den 25.10. verschieben ließ. Clement ist dünnhäutig geworden.
Paris bremst deutsches Unternehmen aus
Der Grund für die brüchigen Stellen auf der wirtschaftspolitischen Achse Paris-Berlin: Die Pariser Regierung hatte die deutsche verärgert, als sie die Übernahme des deutsch-französischen Pharmakonzerns Aventis durch den französischen Konkurrenten Sanofi-Synthelabo massiv unterstützte. Für zusätzlichen Streit sorgte Sarkozy, als er Übernahme-Ambitionen des deutschen Technologiekonzerns Siemens beim französischen Konkurrenten Alstom blockierte. Kanzler Gerhard Schröder bezeichnete Sarkozys Verhalten intern als "extrem nationalistisch".
"Der Zidane der Wirtschaftspolitik"
Tatsächlich profiliert sich der Franzose gerne als national orientierter Industriepolitiker. Dass Alstom noch einmal vier Jahre lang mit Staatsbeihilfen unterstützt werden darf, hat der defizitäre Technikkonzern einem 15-stündigen Verhandlungsmarathon Sarkozys mit dem damaligen EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti zu verdanken. Der 49-Jährige versteht sich wie kaum ein anderer auf derartige "Nahkampftechniken". So schwärmte Ernest-Antoine Seillière, Präsident des französischen Unternehmerverbands Medef, mal: "Sarkozy ist der Zidane der Wirtschaftspolitik, ein Torjäger, der sich bei Aventis und Alstom überaus erfolgreich geschlagen hat."
BDI: keine lebenserhaltenden Maßnahmen
In Deutschland hält sich die Bewunderung für Sarkozys "Sportlichkeit" hingegen stark in Grenzen: Er habe eine "unnötige Schärfe" in die deutsch-französischen Beziehungen gebracht, kritisiert Henrik Uterwedde vom Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) blickt ebenfalls missbilligend auf die andere Rheinseite: "Der Sinn von Industriepolitik kann nicht darin bestehen, Unternehmen durch Subventionen künstlich am Leben zu erhalten", sagte ein Experte der BDI-Europa-Abteilung, der ungenannt bleiben will. "In Deutschland sind wir damit erfolgreich gewesen, Unternehmen ihre Entscheidungen selbst treffen zu lassen. Daran sollten wir auch festhalten!"
Staat hat andere Aufgaben
Auch Wirtschaftsexperte Jürgen Egeln warnt vor einer "interventionistischen Industriepolitik zugunsten einzelner Unternehmen". Diese sei nur dann erfolgreich, wenn sie einseitig betrieben werde. "In dem Moment, wo auch andere Länder mit der gleichen strategischen Industriepolitik reagieren, sind die Vorteile dahin", so der stellvertretende Leiter des Forschungsbereichs Industrieökonomik und Internationale Unternehmensführung am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.
Rückbesinnung auf gemeinsame Interessen
Stattdessen würde der Wettbewerb die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt optimieren. Trotzdem - darin sind sich die Experten einig - würden dem Staat genügend wirtschaftspolitische Aufgabenfelder verbleiben -insbesondere die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen auf EU-Ebene. "Deutschland und Frankreich könnten dabei eine Vorbildfunktion wahrnehmen", sagt Uterwedde.
Gelingt Clement und Sarkozy diese Rückbesinnung auf gemeinsame Interessen wegen persönlicher Differenzen nicht, so heißt die wahrscheinlichste aller Lösungen wohl abwarten: Sarkozy wird im November von seinem Amt zurücktreten, um den Vorsitz der konservativen Partei Union pour un Mouvement Populaire (UMP) zu übernehmen.