Deutsche Politiker reagieren gereizt
10. Juli 2014Die jüngste Spionageaffäre um die Aktivitäten der US-Geheimdienste auf deutschem Boden nimmt immer größere Ausmaße an. Mit zwei enttarnten mutmaßlichen Spionen binnen einer Woche entwickelt sie sich zu einer neuen Belastungsprobe für die deutsch-amerikanischen Beziehungen.
Spion im Ministerium
Nach der Enttarnung eines mutmaßlichen US-Spions im Bundesverteidigungsministerium gibt es erste Informationen über Einzelheiten des neuen Falles. Nach Medienberichten hatte der mutmaßliche Spitzel durch seine Position weitreichenden Zugang zu internen Informationen und geheimen Dokumenten.
Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner Onlineausgabe berichtet, soll der Verdächtige seit rund einem Jahr als Referent in der Abteilung Politik für internationale Sicherheitspolitik zuständig gewesen sein. Der Spionageverdacht stützt sich den Angaben zufolge vor allem auf Beobachtungen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), der für die Spionageabwehr bei der Bundeswehr zuständig ist. Der MAD habe den Mitarbeiter seit Monaten im Visier gehabt, weil er sich verdächtig häufig mit US-Kontaktleuten getroffen habe.
Laut "Spiegel Online" sammelten die Fahnder bei ihren Beobachtungen auch Indizien, wonach der Ministeriumsmitarbeiter seinen US-Gesprächspartnern Informationen übergab. Aus Ermittlerkreisen verlautete demnach, dass "eine Reihe von Indizien" auf eine Spionagetätigkeit des Mannes schließen lasse. Bislang liege aber noch kein dringender Tatverdacht vor, der einen Haftbefehl begründen würde. Deswegen sei der Mann am Mittwoch nach der Durchsuchung seines Ministeriumsbüros, seiner Wohnung außerhalb von Berlin und einer ausführlichen Befragung auf freien Fuß gesetzt worden.
Seit einer Woche sitzt bereits ein Beamter des Bundesnachrichtendienstes in Untersuchungshaft, weil er die Amerikaner gegen Bezahlung mit geheimen Informationen versorgt haben soll.
Kanzlerin Merkel "not amused"
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wirft den USA in der Spionageaffäre "Dummheit" vor. Zwar hätte Deutschland ohne die Partnerschaft mit US-Geheimdiensten viele Terrorbedrohungen nicht abwehren können, sagte Schäuble in der Fernsehsendung "Forum Politik" beim Sender Phoenix. Dies heiße aber nicht, "dass die Amerikaner drittklassige Leute bei uns anwerben dürfen. Das ist so was von blöd, und über so viel Dummheit kann man auch nur weinen." Deswegen sei Bundeskanzlerin Angela Merkel auf alle Fälle "not amused", sagte der deutsche Finanzminister.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen forderte von den USA Konsequenzen. Washington müsse "wieder mit uns eine gemeinsame Sicht darauf entwickeln, wie wir in Zukunft unsere Zusammenarbeit gestalten wollen", sagte die Ministerin der "Berliner Zeitung". Seit den Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden sei "das Vertrauen erschüttert". Eine Politik, die an "langfristigen, vertrauensvollen Beziehungen interessiert" sei, habe aber auch die Verantwortung, den Geheimdiensten klarzumachen, dass nicht alles, was möglich auch "politisch vertretbar" sei.
Auch der Besuch einer Delegation des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags in Washington, bei dem auch über die Spionage-Aktivitäten der USA in Deutschland beraten wurde, brachte keine Annäherung. Der Ausschussvorsitzende Norbert Röttgen (CDU) sagte nach den Gesprächen in der US-Hauptstadt, es gebe keinerlei Anzeichen, dass sich die Haltung der Amerikaner in absehbarer Zeit ändere. Überrascht zeigten sich die deutschen Abgeordneten über die Ahnungslosigkeit ihrer US-amerikanischen Kollegen. Das was durch die Spionagefälle an Schaden angerichtet worden sei, werde weder in den US-Medien behandelt noch sei es unter Politikern bekannt, sagte Röttgen,
qu/kle (dpa, afp, rtr)