Neues Kapitel im Waffengeschäft mit Israel
13. Mai 2015Das offizielle Programm am dritten Tag des Deutschlandbesuchs von Israels Staatspräsident Reuven Rivlin ist überschaubar: Um 09.50 Uhr traf er den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Thorsten Albig, im Anschluss ist eine Diskussion mit Studenten geplant. Um 11.50 Uhr enden dann Rivlins offizielle Termine in Kiel.
Ein Abstecher von der Hauptstadt Berlin ins nördlichste Bundesland Deutschlands für gerade einmal zwei Stunden? Nein. Rivlins Programm geht weiter - jedoch inoffiziell und ohne Medien. Er wird in Kiel auch jene Werften besuchen, in denen Israels moderne U-Boote gebaut wurden und wo in unmittelbarer Nachbarschaft demnächst vier Korvetten für die israelische Marine auf Kiel gelegt werden sollen.
"Beweis für gute Beziehungen"
Am Montag, einen Tag vor den Feierlichkeiten anlässlich des 50. Jahrestags der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland, wurde in Tel Aviv der Kaufvertrag für die vier Kriegsschiffe im Wert von 430 Millionen Euro unterzeichnet. "Das ist ein Beweis, dass die deutsch-israelische Rüstungszusammenarbeit funktioniert", sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter der Deutschen Welle. Der Obmann im Auswärtigen Ausschuss befürwortet, dass Deutschland den Kauf mitfinanziert - ebenso wie bei vielen anderen Rüstungsgeschäften zuvor: "Weil wir damit nicht nur die Ausrüstung und Verteidigungsfähigkeit der israelischen Marine sichern, sondern auch dazu beitragen, dass Israel eine gewisse Grundabschreckung in seiner Region hat und zugleich auch zeigen, dass Israel sich auf seine europäischen Partner verlassen kann."
Mit voraussichtlich mindestens 115 Millionen Euro wird die Bundesregierung den Kauf der Korvetten unterstützen. Allerdings sollen in Kiel lediglich die Schiffe gebaut werden, sämtliche militärische Ausbauten wie etwa Waffen oder Sensorik werden erst in Israel montiert. Dann haben die vier Schiffe einen Gesamtwert von mindestens einer Milliarde Euro. Vor 2022 bis 2027 werden sie kaum einsatzbereit sein.
Deutsch-arabischer Deal mit Israel
Pikant ist, dass der deutsche Schiffsbauer, die Firma ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS), den Schiffstyp zwar entworfen hat, ihn aber nicht baut. Das wird von der ebenfalls in Kiel ansässigen Werft German Naval Yards erledigt - sozusagen als Subunternehmer. Diese Werft hatte zum deutschen Konzern TKMS gehört, der sie vor etwa drei Jahren an eine Schiffsbaugruppe mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten verkaufte. Anders ausgedrückt: Eine arabische Holding baut im Auftrag eines deutschen Unternehmens Kriegsschiffe für Israel.
Das neue Geschäft ist nicht der erste Marinedeal zwischen Deutschland und Israel. Seit 1999 liefert die Kieler Werft von TKMS dem Land U-Boote der sogenannten Dolphin-Klasse. Insgesamt sechs Stück sollen es bis 2018 werden. Derzeit wird in Kiel von einer israelischen Besatzung das fünfte U-Boot, die "Rahav" erprobt. Es ist zu vermuten, dass Rivlin nicht nur die Werft besichtigt, sondern auch die Mannschaft besucht, um sich Israels neueste Waffe zeigen zu lassen.
Nukleare Abschreckung
Um die Dolphin-U-Boote rankt sich seit Jahren eine Frage: Kann Israels Marine mit den Booten Atomwaffen abschießen? Der Marineexperte Klaus Mommsen geht davon aus, dass Israel eine luft-, land- und seegestützte nukleare Abschreckung plane oder schon habe. "Vielleicht auch mit den U-Booten der Dolphin-Klasse. Aber Israel hüllt sich - wie generell in der Frage, ob es Atomwaffen besitzt - in Schweigen."
"Ich würde nicht schlussfolgern, dass sämtliche U-Boote Israels heute jederzeit mit Marschflugkörpern großer Reichweite - egal ob nuklear oder konventionell - bewaffnet sind", urteilt der Berliner Friedensforscher Otfried Nassauer. Gegenüber der DW schließt er aus, dass Deutschland mit der Dolphin-Klasse ein Waffensystem geliefert hat, das von sich aus Nuklearwaffen abschießen könnte. "Da muss Israel mit eigenen technologischen Fähigkeiten das U-Boot erweitert haben."
Spionage mit deutschen U-Booten
Israels Hauptinteresse beim Kauf der U-Boote, da sind sich Nassauer und Mommsen einig, sei der Einsatz als Aufklärungsmittel und für den Einsatz von Spezialkräften gewesen. "Die Israelis und andere Nationen nutzen U-Boote, um Häfen oder Ziele und Operationen an der Küste direkt aus der Nähe zu beobachten", sagt Mommsen. Entweder würden unter Wasser Spähtrupps ausgeschleust, die an Land schwimmen, oder es werde schlicht durch das Periskop beobachtet. Auch die unauffällige Verfolgung von Schiffen, die Jagd feindlicher U-Boote oder das Aussetzen von Sabotagetrupps sind Einsatzszenarien.
Gleichwohl nutzte Israel ein Dolphin-Boot offenbar mindestens einmal bereits als Offensivwaffe. Die britische "Sunday Times" schrieb im Juli 2013, ein U-Boot dieses Typs habe nahe der syrischen Hafenstadt Latakia ein Raketenlager mit Flugkörpern beschossen und vernichtet. Eine Bestätigung hierfür gibt es nicht.
Korvetten zum Küstenschutz
U-Boote seien im Vergleich zu Korvetten viel stärkere Offensivwaffen, so Nassauer. Und Mommsen bekräftigt: "Ein U-Boot hat den Vorteil, dass es verdeckt schießen kann, während die Korvette davon ausgehen muss, dass sie schnell als schießende Einheit erkannt wird."
Nach Überzeugung der Fachleute sollen die neuen Schiffe "Made in Germany" darum vor allem Israels Küste besser schützen und den Aktionsradius der Marine erhöhen. Aber es geht auch um die Bewachung von Gasfeldern im östlichen Mittelmeer, die vor wenigen Jahren entdeckt wurden und die Israels Energieversorgung künftig weniger importabhängig machen sollen.