Farage weiß, was die AfD-Basis hören will
8. September 2017Der Ort hat etwas Symbolisches und Gastgeberin Beatrix von Storch geht indirekt darauf ein. Die Europa-Abgeordnete der Alternative für Deutschland (AfD) und Berliner Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl am 24. September spricht von den Schwierigkeiten ihrer Partei, "eine Location zu finden". Am Ende ist es die Zitadelle ganz im Westen der Hauptstadt geworden. Eine Festung aus dem späten Mittelalter. Die AfD muss sich hinter hohen Mauern verstecken, als sie an diesem Freitag ihren Stargast empfängt: Nigel Farage, berühmt-berüchtigter, selbsternannter Brexit-Pionier.
Die von ihm mitgegründete und lange geführte United Kingdom Independance Party (UKIP) ist das Vorbild der AfD, deren etwa 250 Mitglieder und Sympathisanten Farage jubelnd empfangen. Der 53-jährige Londoner hätte wahrscheinlich auch jede große Halle in Berlin gefüllt, aber die AfD wird oft abgewiesen. Aus Angst vor Krawallen, aber auch wegen ihrer offen fremdenfeindlichen Rhetorik und Programmatik. Deshalb muss der wortgewaltige Farage mit einem kleinen Saal in der Zitadelle vorlieb nehmen.
Ein Zuhörer: "Wir sind die Partei von Ordnung und Pünktlichkeit"
"Alte Kaserne" steht über der Eingangstür des ockerfarbenen Backsteingebäudes, darunter etwas kleiner "Old Barracks". Aber der mit einer Deutschen verheiratete Farage hätte wahrscheinlich gar keine englische Übersetzung benötigt. Seine 30-minütige Rede hält er jedoch in seiner Muttersprache. Um 16 Uhr soll es losgehen, aber der Gast lässt auf sich warten. Dabei ist er schon längst da, denn vor seinem Auftritt gab er schon gemeinsam mit Beatrix von Storch eine Pressekonferenz.
Die Verzögerung hat wohl etwas mit den bei AfD-Veranstaltungen üblichen langwierigen Sicherheitskontrollen zu tun. Ein älterer Herr in einer der hinteren von 21 Sitzreihen wird langsam ungeduldig. "Wir sagen immer: Wir sind die Partei von Ordnung und Pünktlichkeit", sagt er zu seiner Begleiterin. Als sich der AfD-Mann über die Verzögerung mokiert, ist Farage schon 20 Minuten in Verzug. Doch wenig später öffnet sich hinter dem Podium an der Stirnseite des Saals eine Tür – und Jubel brandet auf.
Als der Name Donald Trump fällt, tobt das Publikum
Die meisten erheben sich von ihren Sitzen. Beatrix von Storch begrüßt den Mann von der Insel als "Höhepunkt des Berliner Wahlkampfs" und lobt ihn in den höchsten Tönen. Geschichte habe er geschrieben, sagt die AfD-Frau in Anspielung auf das von Farage entscheidend vorangetriebene Brexit-Votum seiner Landsleute. Und flugs ist von Storch mittendrin: Volksentscheide auf Bundesebene fordert sie und bezeichnet "direkte Demokratie" als das wichtigste AfD-Wahlkampfthema. Auch die anderen Schlagworte der Rechtspopulisten reiht sie schnell aneinander: Islam, Terror, Euro, Bevölkerungswachstum in Afrika.
Die 46-Jährige scheint fast zu vergessen, wer rechts neben ihr auf seinen Auftritt wartet. Nach 20 Minuten sagt sie dann: "Sie sind heute nicht gekommen, um mich zu hören" - und überlässt Farage endlich die Bühne. "Good afternoon, Berlin!", begrüßt er das AfD-Publikum im Stile eines Entertainers. Das kommt an bei seinen deutschen Fans, darunter neben vielen im Rentenalter auch etliche zwischen 20 und 30. Und weil der kleine Saal in der alten Trutzburg irgendwie nicht dem Selbstverständnis des Redners zu entsprechen scheint, prahlt er mit einem Auftritt im August 2016: mitten im US-Wahlkampf an der Seite eines gewissen Donald John Trump. Farage spricht den Namen betont langsam aus. Das Publikum reagiert wie gewünscht: Es tobt fast vor Jubel.
"Wir haben gemeinsame Werte", sagt der Gast aus London
Kein einziges programmatisches Wort ist bislang gefallen. Es reichen ein paar rhetorische Kniffe, um die Stimmung anzuheizen. Damit ist das Feld bereitet, um sich an den Befürwortern der EU abzuarbeiten. Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, sogar der ehemalige amerikanische Präsident Barack Obama - sie alle kriegen ihr Fett weg. Und als der Name des SPD-Kanzlerkandidaten und früheren Präsidenten des Europäischen Parlaments fällt, geht ein ablehnendes Raunen durch den Saal.
Martin Schulz war zu seiner Zeit in Brüssel einer der ärgsten Widersacher des Briten. Ein "sehr, sehr gefährlicher Mann" sei Schulz, sagt Farage nun in Berlin - und seine Fans von der AfD klatschen begeistert. "Wir haben gemeinsamen Werte", betont der einstige UKIP-Chef, der nach dem erfolgreichen Brexit-Votum nicht mehr für den Vorsitz seiner Partei kandidierte. In seiner Logik war die Mission mit dem Brexit erfüllt.
Einschmeichelnde Worte zum Abschied
Die äußerst schwierigen Austrittsverhandlungen lässt er lieber andere führen. Seine deutschen Fans von der AfD umschmeichelt er zum Abschied mit einem Satz, den diese hören wollen: Die AfD werde als "Stimme der Opposition" in den Bundestag einziehen. Bei Beatrix von Storch, die Farage nach Berlin eingeladen hat, klingt das noch eine Spur unbescheidener: "Am 24. September holen wir uns das Land zurück!"