Russland weist europäische Diplomaten aus
5. Februar 2021Das russische Außenministerium teilte mit, die Diplomaten aus Deutschland, Polen und Schweden seien zu "unerwünschten Personen" erklärt worden, nachdem sie an "illegalen Protesten" der Opposition gegen die Inhaftierung des Regierungskritikers Alexej Nawalny teilgenommen hätten. Sie seien angewiesen worden, Russland "in der nahen Zukunft zu verlassen". Zur genauen Zahl der ausgewiesenen Diplomaten machte das Ministerium keine Angaben.
Das Außenamt in Moskau warf den Diplomaten vor, bei den Kundgebungen am 23. Januar in Sankt Petersburg und Moskau dabei gewesen zu sein. Russland bewerte ein solches Verhalten als "inakzeptabel und unvereinbar mit dem diplomatischen Status".
Die deutsche Bundesregierung reagierte scharf: "Wir halten diese Ausweisung für ungerechtfertigt und glauben, dass das eine weitere Facette in dem ist, was ziemlich fernab von Rechtsstaatlichkeit im Augenblick in Russland zu beobachten ist", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Journalisten in Berlin. Bundesaußenminister Heiko Maas sagte, die Ausweisung sei "in keiner Weise gerechtfertigt" und beschädige das Verhältnis Russlands zu Europa weiter. "Sollte die Russische Föderation diesen Schritt nicht überdenken, wird er nicht unbeantwortet bleiben", kündigte Maas an.
Das Auswärtige Amt in Berlin bestellte derweil den russischen Botschafter zu einem "dringenden Gespräch" ein. Staatssekretär Miguel Berger habe Botschafter Sergej Netschajew "die deutsche Haltung sehr deutlich gemacht", hieß es dazu anschließend. Auch Polen bestellte den russischen Botschafter in Warschau ein. Das schwedische Außenministerium ließ Moskau wissen, dass es das Vorgehen für völlig unbegründet erachte.
An den nicht genehmigten Protesten im Januar hatten sich landesweit zehntausende Menschen beteiligt. Anschließend kam es zu tausenden Festnahmen. Maas sagte, der betroffene deutsche Diplomat sei seiner im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vorgesehenen Aufgabe nachgekommen, sich mit rechtmäßigen Mitteln über die Entwicklung vor Ort zu informieren.
Beziehungen auf einem "Tiefpunkt"
Die Beziehungen zwischen Moskau und den Ländern der Europäischen Union sind seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 stark belastet. Verschärft wurden die Spannungen durch den Fall Nawalny. Der schärfste Kritiker von Präsident Wladimir Putin war Mitte Januar bei seiner Rückkehr nach Moskau festgenommen worden und später zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Er war zuvor in Deutschland nach einem Giftanschlag behandelt worden, für den er die russische Regierung verantwortlich macht.
Derzeit hält sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zu einem mehrtägigen Besuch in Moskau auf. Mit Blick auf den Fall Nawalny hatte Borrell bei einem Gespräch mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow von einem "Tiefpunkt" in den europäisch-russischen Beziehungen gesprochen. Zugleich betonten beide Seiten ihren Willen zu einem fortgesetzten Dialog. Borrell erfuhr von der geplanten Ausweisung der Diplomaten während seines Treffens mit Lawrow - was man durchaus als Affront werten kann. Er habe das Vorgehen scharf verurteilt, erklärte Borrell später.
Am Dienstag hatte ein Moskauer Gericht entschieden, dass Nawalny wegen einer Bewährungsstrafe aus dem Jahr 2014 nun knapp drei Jahre in eine Strafkolonie muss. An diesem Freitag stand Nawalny zudem in einem weiteren Prozess vor Gericht. In dem Verfahren geht es um den Vorwurf der Verleumdung eines Weltkriegsveteranen. Der 44-jährige Nawalny erschien dafür in einem für Angeklagte vorgesehenen Glaskasten vor Gericht. Dem Oppositionellen droht auch in diesem Verfahren eine mehrjährige Haftstrafe.
uh/qu (dpa, rtr, afp)