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Tag der Symbolik in Athen

Andreas Becker10. April 2014

Griechenland ist erfolgreich an den Kapitalmarkt zurückgekehrt und sammelte rund drei Milliarden Euro ein. Für die Regierung ist das ein Erfolg, an der desolaten Lage der Wirtschaft ändert es jedoch nichts.

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Nach der Explosion einer Autobombe in Athen am 10.04.2014 (REUTERS/Alkis Konstantinidis)
Bild: Reuters

Die Symbolik war deutlich: Wenige Stunden, bevor Griechenland seine Rückkehr an den Kapitalmarkt feierte, explodierte vor dem Gebäude der Zentralbank in Athen eine Autobombe (Bild oben). Verletzt wurde niemand, anonyme Anrufer hatten zuvor verschiedene Medien vor der Bombe gewarnt. Bombenanschläge haben in Griechenland stark zugenommen, seitdem die Regierung unpopuläre Sparmaßnahmen umsetzt, um Hilfsgelder der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds zu erhalten.

Die Begebung der ersten Staatsanleihe dieser Art seit 2010 ist ebenfalls voller Symbolik. "Griechenland möchte unbedingt signalisieren, dass es wieder aufwärts geht", sagt Raoul Ruparel, Leiter der Wirtschaftsforschung bei der liberalen Londoner Denkfabrik Open Europe.

Die erfolgreiche Rückkehr sei vor allem ein innenpolitisches Signal. "In den vergangenen Wochen ist die Mehrheit der Regierungskoalition auf wenige Sitze geschrumpft, die Abgeordneten sind sehr rebellisch", so Ruparel. Zudem finden Ende Mai die Europawahlen statt. "Die Regierung hofft, die Rückkehr an den Kapitalmarkt könne den eigenen Abgeordneten und den Wählern beweisen, dass die Reformen und das vom Sparkurs verursachte Leid nicht umsonst waren, sondern honoriert werden."

"Ein gutes Geschäft"

Weniger Stimmen für extreme Parteien, mehr Unterstützung für den weiteren Reformkurs, das ist das Kalkül der Regierung. Unbestritten ist, dass die Anleihe am Markt ein großer Erfolg war. Rund drei Milliarden Euro leiht sich Griechenland für fünf Jahre, Angebote für mehr als 20 Milliarden hat es erhalten. Die Zinsen liegen bei knapp unter fünf Prozent, verglichen mit mehr als sechs Prozent bei der letzten vergleichbaren Anleihe vor vier Jahren.

Die große Nachfrage bedeute allerdings nicht, dass Investoren die griechische Wirtschaft wieder für gesund halten. "Es ist weniger ein Urteil über Griechenland als eine Folge der niedrigen Zinsen und des Mangels an sicheren Anlagemöglichkeiten in der Weltwirtschaft", so Ökonom Ruparel im DW-Gespräch.

Im Gegensatz zu den Anleihen, die beim Schuldenschnitt vor zwei Jahren mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren, werden die Papiere nun nach englischem Recht begeben. Für Investoren bedeute das zusätzliche Sicherheit, weil die griechische Regierung nicht per Gesetz die Bedingungen einer Umschuldung diktieren kann. "Selbst bei einem Zahlungsausfall hätten die Investoren umfangreiche Möglichkeiten, vor britischen Gerichten ihr Geld einzuklagen."

Verluste durch eine Umschuldung seien daher "unwahrscheinlich". Hinzu kommt die Beteuerung der Europäischen Zentralbank, alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten. "Das schließt den Kauf griechischer Staatsanleihen mit ein", so Ruparal. Außerdem haben sich die Regierungen anderer Euroländer mehrfach gegen einen neuen Schuldenschnitt und für eine weitere Unterstützung Griechenlands ausgesprochen. "Für Investoren ist das kein schlechtes Geschäft", glaubt Ruparel.

Demonstrierende Mitglieder der Gewerkschaft PAME in Athen (Foto: REUTERS/Alkis Konstantinidis)
Demonstrierende Mitglieder der Gewerkschaft PAME am Mittwoch in AthenBild: Reuters

Applaus von (fast) allen Seiten

Die Investoren sind also zufrieden, die griechische Regierung ebenso. Auch die internationalen Geldgeber, die Griechenland in den vergangenen Jahren über Wasser gehalten und die Umsetzung der Reformen kontrolliert haben, applaudieren.

"Heute ist ein sehr guter Tag", freut sich EU-Kommissar Joaquín Almunia nach einem Treffen mit dem griechischen Finanzminister Ioannis Stournaras in Athen. "Heute sehen wir die Ergebnisse der großen Bemühungen der griechischen Behörden und der griechischen Bürger für die Überwindung einer großen Krise." Ähnlich sieht das Poul Thomsen, oberster Gesandter des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Athen. "Das ist ein wichtiger Meilenstein und zeigt den Erfolg des Rettungsprogramms."

Bleibt die Frage, ob die Aufnahme neuer Schulden auch der griechischen Wirtschaft und der Bevölkerung hilft. Seit der Krise hat das Land mehr als ein Fünftel seiner Wirtschaftsleistung verloren, die Schulden sind fast doppelt so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt, und die Arbeitslosigkeit liegt bei 28 Prozent.

"Was auch immer sie über die Rückkehr an die Finanzmärkte sagen - mit uns, der arbeitenden Bevölkerung, hat das alles nichts zu tun", so der Lehrer Nikos Toutouzakis. "Nur das Kapital profitiert, nicht die Arbeiter." Toutouzakis war einer von 20.000 Menschen, die am Mittwoch (09.04.2014) in Athen gegen den Sparkurs der Regierung demonstrierten. Wegen eines landesweiten Streiks blieben Schulen und Apotheken geschlossen, Schiffe fuhren nicht aus, der Nahverkehr kam zum Erliegen.

Auch Ökonom Raoul Ruparel von Open Europe glaubt nicht, dass die Rückkehr an den Finanzmarkt mehr ist als ein Symbol. "Um die Schulden erkennbar abzubauen, müsste Griechenlands Wirtschaft jährlich um fünf oder sechs Prozent wachsen - das aber ist unwahrscheinlich." Der Erfolg der Anleiheauktion heiße noch lange nicht, dass Griechenland Investoren von einer Kehrwende überzeugt habe. Dafür müsse die Regierung klar sagen, wie sie mit dem riesigen Schuldenberg umzugehen gedenkt. "Dazu gehört natürlich auch die Frage, ob die anderen Länder der Eurozone Griechenland einen Teil seiner Schulden erlassen."