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73. Filmfestspiele in Venedig

Jochen Kürten1. September 2016

Schauspielstars aus Hollywood und Europa sowie Regiegrößen aus aller Welt treffen sich in den kommenden Tagen in Venedig. Auch Deutschland ist vertreten - ein Regisseur darf sogar auf einen zweiten Goldenen Löwen hoffen.

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Internationale Filmfestspiele von Venedig - Jury Photo
Bild: picture alliance/abaca/A. Marechal

Wim Wenders ist einer von 20 geladenen Regisseuren im diesjährigen Wettbewerb des ältesten Filmfestivals der Welt. Sein Film "Die schönen Tage von Aranjuez" läuft schon am zweiten Tag (1.9.) der diesjährigen Konkurrenz. Wenders, der 1982 für "Der Stand der Dinge" einen Goldenen Löwen mit nach Hause nehmen durfte, präsentiert diesmal ein intimes Kammerspiel vor sommerlicher Kulisse, in dem eine Frau und ein Mann dem Wesen der Liebe nachspüren und den Unterschied der Geschlechter sezieren. Wieder einmal hat sich Wenders dabei einer Vorlage des Schriftstellers Peter Handke bedient.

Venedig-Eröffnung mit einem Musical

Eröffnet wurde die 73. Ausgabe des Festivals (31.8.- 10.9.) einen Tag zuvor beschwingt-musikalisch: US-Regisseur Damien Chazelle zeigte seinen Film "La La Land", eine Hommage an die große, klassische Zeit des amerikanischen Film-Musicals.

Paula Beer und Pierre Niney im Nachkriegsdrama 'Frantz' (Foto: X Filme)
Paula Beer und Pierre Niney im Nachkriegsdrama "Frantz"Bild: X Verleih

Deutschland ist - was die Filmfinanzierung betrifft - gut vertreten im diesjährigen Wettbewerb. Außer im Wenders-Film steckt noch in fünf weiteren Beiträgen deutsches Produktions-Geld. Die Dokumentation "Voyage of Time: Life's Journey" von Terrence Malick (USA) beschäftigt sich mit dem Ursprung der Welt. Im neuen Film "Frantz" von Frankreichs Regiestar François Ozon geht es um eine zarte Liebe zwischen einer deutschen Kriegerwitwe und einem französischen Soldaten unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Auch die neuen Werke des russischen Altmeisters Andrei Kontchalovsky ("Paradiese"), des holländischen Regisseurs Martin Kollhoven ("Brimstone") und des Mexikaners Amat Escalante ("The Untamed") wurden von deutschen Firmen koproduziert.

Nur zwei Regisseurinnen im Wettbewerb

Nur die Vereinigten Staaten kommen auf einen noch größeren Produktionsanteil im Rennen um den Goldenen und die Silbernen Löwen. Mit besonderer Spannung wird der neue Film von Ana Lily Amirpour erwartet, der einzigen Frau in der Konkurrenz (sieht man einmal von Co-Regisseurin Martina Parenti, "Spira Mirabilis", ab). Die gebürtige Britin persischer Herkunft legt nach ihrem furiosen Debütfilm, dem feministischen Vampir-Drama "A Girl Walks Home Alone a Night" (2015), mit "The Bad Batch" in Venedig einen Kannibalen-Film vor.

Mit dabei für die Filmnation USA sind auch Tom Ford, seines Zeichens im Hauptberuf Mode-Designer, sowie der Kanadier Denis Villeneuve, einer der innovativsten und aufregendsten Filmemacher der letzten Jahre.

Venedig Filmfestspiele Wim Wenders
Wim Wenders am 01.09.2016 bei der Premiere seines Wettbewerbs-Beitrags "Die schönen Tage von Aranjuez"Bild: Getty Images/AFP/F. Monteforte

Dass in der globalisierten Filmwelt die Nationalität eines Regisseurs oft nur noch wenig mit der Herkunft des jeweiligen Films zu tun hat, zeigt auch das diesjährige Festival-Programm in aller Deutlichkeit: 13 der 20 Wettbewerbsfilme sind internationale Co-Produktionen.

Für den Blick über den europäisch-nordamerikanischen Tellerand sorgen in diesem Jahr Regisseure von den Philippinen (Lav Diaz: "The Woman who left") und der Chilene Pablo Larraín mit "Jackie", letzterer mit einer Filmbiografie der Präsidentenwitwe Jaqueline Kennedy, prominent verkörpert von der israelisch-amerikanischen Schauspielerin Natalie Portman - auch das also wieder ein Beispiel für die international stark vernetzte Filmwelt.

Thema Krieg in Venedig

Schließlich darf man auch gespannt sein auf das neue Epos des bosnisch-serbischen Regisseurs Emir Kusturica, der mit "On the Milky Road" seinen ersten Spielfilm seit fast zehn Jahren vorlegt. Kusturica erzählt darin von der Liebe in Zeiten des (Bosnien-)Kriegs. Was Menschen sich in Kriegen antun, welche Mechanismen hinter kriegerischen Auseinandersetzungen wüten und wie der einzelne Mensch am Krieg zugrunde gehen kann - das ist das inoffizielle Thema des diesjährigen Venedig-Jahrgangs. Und das nicht nur im Wettbewerb.

Ein Regie-Comeback feiert beispielsweise der Australier Mel Gibson außer Konkurrenz. Sein neuer Film "Hacksaw Ridge" richtet sein Augenmerk auf eine der blutigsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs: Nach einer wahren Begebenheit erzählt Gibson die Erlebnisse des US-Soldaten Desmond Doss, der in der US-Armee diente, dort aufgrund seines Glaubens aber den Dienst an der Waffe verweigerte. Als Sanitäter erlangte er Berühmtheit, als er auf der umkämpften Pazifik-Insel Okinawa 75 Soldaten das Leben rettete.

Alberto Barbera (Foto: REUTERS/Stefano Rellandini)
Festivalchef Alberto Barbera lud 20 Filme zum Löwen-Rennen nach VenedigBild: Reuters/S. Rellandini

Wie Mel Gibsons Film läuft auch die deutsche Dokumentation "Austerlitz" außerhalb der Konkurrenz um die Löwen. Der renommierte ukrainische Regisseur Sergei Loznitsa untersucht in "Austerlitz" die Rolle, die die ehemaligen nationalsozialistischen Konzentrationslager heute spielen - bei Besuchern und Touristen aus aller Welt sowie im Bewusstsein der Nachgeborenen. So stößt man dieses Jahr in allen Sektionen der Filmfestspiele auf das Thema Krieg.

Restauriert: Veit Harlans "Opfergang"

In der Sektion "Classics", in der restaurierte und lange nicht gesehene Werke der Filmgeschichte gezeigt werden, darf man auf die internationalen Reaktionen auf das schwerblütige Farb-Melodram "Opfergang" (1943/44) des berühmt-berüchtigten deutschen Regisseurs Veit Harlan gespannt sein. Harlan war Regisseur des wohl perfidesten Propagandafilms der Nazis, "Jud Süß".

Auch in den ersten Teilen der lang erwarteten Fernseh-Serie über Papst Pius VIII., "The Young Pope", die am Lido in den kommenden Tagen Weltpremiere feiern wird, geht es nicht friedlich zu: Hollywood-Star Jude Law mimt darin einen jugendlich-frischen, attraktiven (fiktionalen) Papst, das erste US-amerikanische Oberhaupt der Katholischen Kirche. "The Young Pope" dürfte noch für Gesprächsstoff sorgen - in und außerhalb der Katholischen Kirche.

Filmregisseur Veit Harlan 1954 (Foto: DPA)
Umstrittener deutscher Regisseur Veit Harlan (1899-1964)Bild: picture-alliance/dpa

Sam Mendes leitet die Jury, Belmondo und Skolimowski bekommen Preise

Jury-Präsident ist in diesem Jahr der britische Regisseur Sam Mendes, unterstützt wird er unter anderem von der deutschen Schauspielerin Nina Hoss. Von den acht Mitgliedern der Venedig-Jury (unser Bild oben) wird in den kommenden Tagen viel Fingerspitzengefühl erwartet, wenn es zu vergleichen und zu bewerten gilt: Kriegsfilme und Liebesdramen, Historienstoffe und Gegenwartsthemen, Spiel- und Dokumentarfilme. Am Ende wird es nur einen Goldenen Löwen geben. Sieht man einmal von den beiden Löwen fürs Lebenswerk ab, die in diesem Jahr an den französischen Schauspieler Jean-Paul Belmondo und den polnischen Regisseur Jerzy Skolimowski gehen.

Entspannt zurücklehnen darf sich die Jury dann erst wieder am 10.S eptember, wenn der Abschlussfilm des Festivals präsentiert wird. Allerdings wird auch dann wieder scharf geschossen: Gezeigt wird eine Neuverfilmung des klassischen Western "Die glorreichen Sieben".