Der Druck nimmt zu
13. Dezember 2013In der Ukraine eskalieren seit Wochen die Proteste gegen den Beschluss der Regierung, ein Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Washington hielt sich bei dem Thema bislang mehr oder weniger bedeckt. Nach Massendemonstrationen im Zentrum Kiews in der vergangenen Woche meinte die stellvertretende Sprecherin des US-Außenministeriums, Marie Harf, dies sei kein Nullsummenspiel. "Die Ukraine kann ein enges Verhältnis zu Russland, der EU und zu den Vereinigten Staaten haben." Es gebe genug Platz für alle, Freunde zu sein, erklärte Harf.
Besorgt über die Lage
In einem Telefonat zwischen US-Vizepräsident Joe Biden und dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch am Montag (09.12.2013) waren allerdings weniger versöhnliche Töne zu hören - genauso wie auch in einer Stellungnahme von Außenminister John Kerry einen Tag später. Sowohl Biden als auch Kerry verurteilen die Anwendung von Gewalt gegen ukrainische Demonstranten und betonten gleichzeitig ihre Unterstützung für die Führung des Landes zur Rückkehr an den Verhandlungstisch mit der EU. Wegen des gewaltsamen Vorgehens der ukrainischen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in der Hauptstadt Kiew erwägt das US-Außenministerium nun Sanktionen gegen die Ukraine.
Die USA hätten sich zwar jetzt geäußert, sagt Jeffrey Mankoff, Russlandexperte am Washingtoner Zentrum für Strategische und Internationale Studien. "In den Stellungnahmen aus Washington wird Russland allerdings nicht wirklich erwähnt, sondern nur die Ukraine", meint Mankoff im Gespräch mit der DW. "Nirgendwo heißt es, die Russen sollten sich raushalten, und aufhören, die Ukraine unter Druck zu setzen."
Stimmen die Prioritäten?
Der momentane Einfluss Russlands auf außenpolitische Angelegenheiten, die auch die USA betreffen, bestimme die Reaktion Washingtons auf die Unruhen in der Ukraine, sagt Jessica Gienow-Hecht, Professorin für Geschichte am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der FU Berlin.
Die USA seien zunächst einmal daran interessiert, das Verhältnis zu Russland zu verbessern, erklärt Gienow-Hecht. Daher sei man bemüht, Fortschritte in entscheidenden internationalen Fragen zu unterstreichen, anstatt die längerfristige Gefahr eines Wirtschafts- und Militärblocks hervorzuheben, der eventuell der früheren Sowjetunion ähneln könnte. Die USA und Russland haben sich in den vergangenen Monaten immer wieder auf entgegengesetzten Seiten des Verhandlungstisches wiedergefunden, sei es im Syrien-Konflikt, im Streit um das iranischen Atomprogramm oder als es um die Frage der Auslieferung von Edward Snowden ging.
Bei den ersten beiden Problemen einigten sich Washington und Moskau immerhin auf Kompromisse. Beiden sei aber auch klar, dass die Krise in der Ukraine problematisch für die bilateralen Beziehungen werden könnte, meint Russlandexperte Mankoff.
Außenpolitische Bewährungsprobe
Auch Washington schien sich im Hinblick auf die Rolle Russlands bei der ukrainischen Weigerung, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen, zurückzuhalten. Diese Woche fielen die Reaktionen zwar heftiger aus - das US-Außenministerium erwägt derzeit Sanktionen, doch die langfristigen außenpolitischen Ziele der Regierung Obama blieben dennoch rätselhaft, meint Jessica Gienow-Hecht.
Es fehle ein Signal an die Welt und an den amerikanischen Wähler. "Wo setzen die USA Prioritäten - geht es darum, nur die Vorherrschaft zu behaupten, eine neue Ordnung zu erschaffen, oder sicher zu gehen, dass die Ordnung wirklich funktioniert?"