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Viel Verpackung, wenig Inhalt

Bernd Riegert23. August 2016

Italiens Premier bat zum Dreier-Gipfel, um den Brexit-Schock zu verdauen. Wie weiter mit Europa? Die großen Drei beschlossen nichts, aber produzierten schöne Bilder. Bernd Riegert von Bord der Garibaldi.

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Italien Dreiergipfel zwischen Merkel, Holland und Renzi (Foto: REUTERS/Remo Casilli)
Professionelle Harmonie für die Kameras: So komisch waren die Themen nichtBild: Reuters/R. Casilli

Dort, wo sonst die Militärjets und Hubschrauber abheben, waren drei durchsichtige Pulte aus Plexiglas auf einem kleinen Podest aufgestellt. Dahinter die Fahnen Italiens, Frankreichs und Deutschlands exakt in Falten gelegt. Auf den Fahnenstangen verschnörkelte goldene Spitzen. Das ganze mit Abspannleinen gegen die frische Brise in der Bucht vor der Insel Ventotene gesichert. Der Kapitän des Flugzeugträgers "Garibaldi" hatte das 180 Meter lange Schiff noch ein wenig mehr in die untergehende Sonne gedreht. "So ist das Licht besser", freute sich der Regisseur der staatlichen Fernsehgesellschaft RAI, der die kurze Pressekonferenz der drei Gipfelteilnehmer in Szene setzte. Der perfekte Gipfel-Postkarten-Look. Um schöne Bilder ging es dem einladenden italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi wohl vor allem mit diesem aufwändigen und doch extrem kurzen Dreiertreffen auf der Insel der Verbannten und dem Flugzeugträger "Garibaldi". Der führt normalerweise den Einsatz der EU-Flotte zur Rettung von Flüchtlingen vor Libyen.

Italien Dreiergipfel zwischen Merkel, Holland und Renzi
Starker Auftritt auf dem Kriegsschiff: Renzi, Merkel, Hollande schwebten auf ihre BühneBild: picture-alliance/dpa/Bundesregierung/G. Bergmann

Die drei Gipfel-Profis

Die Bundeskanzlerin, der Staatspräsident und der Gastgeber schwebten per Hubschrauber von der ehemaligen Gefängnisinsel ein. Kurz Frisur und Jacket geordnet. Dann lieferten sie an den durchsichtigen Pulten vor Inselkulisse routiniert ihre Statements ab: zur Zukunft Europas, zu Herausforderungen und zum Geist des italienischen Europa-Vaters Altiero Spinelli. Den Geist des Europa-Föderalisten Spinelli, der von den Faschisten zusammen mit anderen Linken nach Ventotene verbannt worden war, wollen sie an seinem Grab gespürt haben in dieser für die EU so schwierigen Zeit. Matteo Renzi sagte, trotz aller Frustration nach dem Brexit, sei Europa immer noch die Chance für künftige Generationen. "Wir lassen uns nicht entmutigen. Europa ist nicht an allem Schuld." Es sei leicht nur zu klagen. Die EU sei eben ein perfekter Sündenbock, so Renzi.

Nur drei Fragen, eine pro Land, waren für die Presse zugelassen. Dafür waren 150 Kameraleute und Journalisten sechs Stunden auf dem Flugzeugträger Garibaldi von Neapel aus nach Ventotene geschippert. Auf dem Flugdeck gab es wenigtens Handy-Empfang, wenn das Schiff an einer Insel vorbei fuhr. Im Bauch des Schiffes, im leergeräumten Flugzeughangar gab es weder Internet- noch Handy-Verbindung. Eine völlig ungewohnte Situation für Journalisten. Stundenlang von der Außenwelt abgeschnitten. Kein Tweet, keine SMS. Die italienische Marine schaffte es nicht, das Wlan in Schwung zu bringen. Die einzigen, die senden konnten, waren die italienischen Kollegen von der RAI, die zwei LKW-Ladungen mit Technik und eigener Satellitenverbindung auf dem Flugdeck aufbauen durften. Die staatliche RAI hatte Matteo Renzi erst vor einigen Tagen durch den Austausch der Führungsmannschaft unter seine Kontrolle gebracht.

Italien Gipfel Ventotene - Garibaldi im Hafen von Neapel (Foto: DW/B. Riegert)
Stundenlang von Neapel nach Ventotene: Flugzeugträger transportiert Medien im SchneckentempoBild: DW/B. Riegert

Wenig Zeit für wirklichen Austausch

Erst nach dem Sightseeing auf Ventotene und der kurzen Begegnung mit der Presse zogen sich Merkel, Hollande und Renzi in der Offiziersmesse zum Abendessen zurück. Jetzt war endlich Gelegenheit, tatsächlich einmal miteinander zu sprechen und nicht nur die üblichen Phrasen vorzutragen, wenn Mikrofone und Kameras laufen. Viel Zeit, um über den Berg an Problemen zu reden wie Brexit, Flüchtlinge, Syrienkrieg, Wirtschaftswachstum und Fiskalpolitik gab es allerdings nicht. Nach zwei Stunden stiegen die Gipfelteilnehmer schon wieder in einen großen Hubschrauber, der sie zum Flughafen von Neapel brachte. Von dort aus ging es dann am späten Abend noch weiter nach Paris, Berlin und Rom. Die 150 Journalisten konnten leider nicht vom Schiff, sondern zuckelten noch Stunden mit dem Flugzeugträger in den Hafen von Neapel zurück. Dort gab es endlich wieder Netz, um Geschichten abzusetzen. Zivilisation statt Kommunikationswüste auf See.

Nur ein Vorgeplänkel

Der Mini-Gipfel der drei großen EU-Gründerstaaten sollte das Sondertreffen der 27 EU-Staaten ohne Großbritannien Mitte September in Bratislava vorbereiten. Man wolle aber nichts vorschreiben, sagte Frankreichs Präsident François Hollande. "Wir sind die großen Drei. Wir entscheiden aber nichts im Namen der anderen Mitglieder. Wir wollen ein Europa des Zusammenhalts", sagte Hollande auf dem Flugzeugträger. Bundeskanzlerin Angela Merkel steckte den Rahmen ab. "Wir brauchen ja irgendwann auch ein Ergebnis", mahnte sie. Bis zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der europäischen Gründungsverträge im März sollen Entscheidungen fallen. "Bis dahin steht Europa auf dem Prüfstand", sagte Merkel. Nur welche?

Italien Gipfel Ventotene - Insel Ventotene und Gefängnisinsel San Stefano (Foto: DW/M. Hofmann)
Malerische Kulisse Ventotene: Ehemals Insel der VerbanntenBild: Max Hofmann

Inspiration erhoffte sich Matteo Renzi durch den Besuch auf Ventotene. Der von den Faschisten verbannte Kommunist Altiero Spinello hatte dort mit weiteren Autoren vor 75 Jahren das "Manifest von Ventotene" verfasst. Einen Aufruf für ein freies und einiges Europa. Ein föderaler Staat getragen von demokratischen Institutionen. Damals sicherlich eine revolutionäre Vision. Bis heute nur in Teilen umgesetzt. Gerade dem Weg, den Spinelli vorgezeichnet hat, wollen viele Staaten in der EU eben nicht oder nicht mehr folgen. Großbritannien geht. Viele fordern wie Polen eine Renationalisierung von Kompetenzen. Rechter Populismus gepaart mit einer Ablehnung der EU wächst in vielen Staaten, auch Deutschland. "Europa ist nicht das Problem, sondern die Lösung", gab Matteo Renzi den Besuchern mit auf den Heimweg. Mit einem Fingerschnippen seien die großen Fragen, wie die Migration, nicht zu lösen.

Keine Gastgeschenke für Renzi

Aus den Kreisen der Delegationen aus Frankreich, Deutschland und Italien, die ebenfalls 12 Stunden an Bord der "Garibaldi" durchs Mittelmeer zuckelten, hieß es, zu große Ergebnisse dürfe man nicht erwarten. "Das ist ein Riesenaufwand für wenig bis nichts. Ein logistischer Alptraum", meinte ein Diplomat, der nicht genannt werden will. Aber er war schön anzuschauen auf dem Flugzeugträger im funkelnden Meer. Schöner Schein in der Abendsonne. "Bella figura", nennen das die italienischen Gastgeber. Die schönen Bilder braucht Renzi, der innenpolitisch unter Druck steht. Die Wirtschaft in Italien stagniert. Im Herbst ist ein Verfassungsreferendum zu überstehen. Renzi wünscht sich mehr Flexiblität von der EU-Kommission in Deutschland bei der geforderten Haushaltsdiziplin. Merkel nahm es zur Kenntnis und sagte, was sie immer sagt. Man sei ja schon recht flexibel.