Viele Tote vor Feuerpause in Syrien
11. September 2016Bei mehreren Luftangriffen auf Rebellengebiete im Norden Syriens sind nach Angaben von Beobachtern insgesamt rund 100 Zivilisten getötet worden. In der umkämpften Stadt Aleppo seien mindestens 42 Menschen bei Bombardierungen durch Kampfflugzeuge gestorben, sagte ein Sprecher der lokalen Hilfsorganisation Weißhelme der Deutschen Presse-Agentur. Unter den Opfern seien auch mehrere Kinder. Viele Verletzte seien noch in einem kritischen Zustand.
Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte, starben in der Stadt Idlib zudem mindestens 58 Zivilisten. In Idlib attackierten nach Angaben von Aktivisten dutzende Flugzeuge unter anderem einen Markt. Geschäfte und Häuser seien in Brand geraten. Mehr als 90 Menschen seien verletzt worden, sagten die Menschenrechtsbeobachter. Die Märkte sind derzeit wegen der anstehenden muslimischen Feiertage gut besucht.
Angriffe verstärkt
Die Zahl der Luftangriffe hatte am Samstag noch einmal zugenommen, nachdem Russland und die USA eine Waffenruhe für das Bürgerkriegsland ausgehandelt hatten. Diese soll am Montagabend mit dem Beginn des muslimischen Opferfestes in Kraft treten.
Während der Feuerpause sollen Menschen in den eingeschlossenen Städten Syriens mit Hilfsgütern versorgt werden. Außerdem wollen die USA und Russland ihre Kräfte gegen die radikal-islamistischen Milizen "Islamischen Staat" und "Nusra Front" bündeln. Während Russland die Regierung in Damaskus unterstützt, stehen die USA auf Seiten gemäßigter Rebellen.
Die syrische Opposition bewertet die von Russland und den USA ausgehandelte Waffenruhe für Syrien indes zurückhaltend. "Wir müssen abwarten, ob sich das Regime von Präsident Baschar al-Assad und seine russischen Verbündeten auch wirklich an die Absprachen halten", sagte Samir al-Naschar vom Oppositionsbündnis Syrische Nationale Koalition der Deutschen Presse-Agentur. "Wir vertrauen dem Regime nicht, weil es zu oft bisherige Versprechen von Feuerpausen gebrochen hat." Andere Oppositionsgruppen äußerten sich ähnlich. Die Regierung in Damaskus "billigte" die Pläne unterdessen, wie Staatsmedien berichten.
Streitpunkt: Syrische Al-Kaida
Vor allem die Rolle der islamistischen Dschabhat Fatah al-Scham, der früheren Nusra-Front, war in bisherigen Friedensgesprächen immer ein Streitpunkt gewesen. Das ließ vergangene Versuche, eine Waffenruhe durchzusetzen, scheitern.
Die Dschabhat Fatah al-Scham, der syrische Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida, ist eine der mächtigsten Parteien in dem Bürgerkrieg. Zahlreiche gemäßigte Rebellengruppen kämpfen Seite an Seite mit den Dschihadisten gegen die Assad-Regierung. Deswegen wurden auch gemäßigte Oppositionelle, die von den USA unterstützt werden, vom syrischen Regime immer wieder bombardiert.
De-facto-Flugverbotszone
Ein Kernpunkt der zwischen US-Außenminister John Kerry und seinem russischen Kollgen Sergej Lawrow ausgehandelten Waffenruhe ist eine de-facto Flugverbotszone für die syrische Luftwaffe über Gebieten, die von der Opposition gehalten werden. Die Luftangriffe und Abwürfe von Fassbomben seien der Hauptgrund für die hohe Zahl ziviler Opfer in dem Krieg, betonte Kerry. Die Übereinkunft könne ein "Wendepunkt" im syrischen Bürgerkrieg sein.
jj/rb (dpa, afp, rtr)