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Bangui hofft auf Brüssel

Antonio Cascais26. Mai 2015

Während Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza bei der Europäischen Union in Brüssel für internationale Hilfe wirbt, spitzt sich in der Zentralafrikanischen Republik die humanitäre Situation weiter zu.

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Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza auf der Brüsseler Geberkonferenz zur Zentralafrikanischen Republik (Foto: Emmanuel Dunand/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/E. Dunand

Bereits vor wenigen Wochen hatten die Vereinten Nationen Alarm geschlagen: In der Zentralafrikanischen Republik bahne sich "die größte vergessene humanitäre Krise unserer Zeit" an. Rund eine halbe Million Menschen leben als Vertriebene im eigenen Land. Ebensoviele suchten in den Nachbarländern Zuflucht. Zwei Drittel der Bevölkerung in dem Bürgerkriegsland sind auf Hilfe von außen angewiesen.

Cornelia Pätz, Sprecherin des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP), beschreibt die Lage vor Ort im DW-Gespräch als "extrem schwierig". Schon vor dem Konflikt seien anderthalb Millionen Menschen von Hunger betroffen gewesen. Zuletzt habe sich die Not dramatisch verschärft: "Seit Beginn des Konflikts ist die landwirtschaftliche Produktion um die Hälfte zurückgegangen. Nur ein Viertel der Nutztiere, die vor der Krise vorhanden waren, hat überlebt. Den Menschen geht es wirklich sehr schlecht."

Cornelia Pätz UN World Food Programme (Foto: Cornelia Pätz)
Cornelia Pätz, Sprecherin des UN-WelternährungsprogrammsBild: UN World Food Programme (WFP)

Gleichzeitig stellten das politische Umfeld und die prekäre Sicherheitslage Hilfsorganisationen vor große Herausforderungen. Die Hilfslieferungen des Welternährungsprogramms würden immer wieder geplündert. Und auch die Helfer seien von Angriffen betroffen.

Humanitäre Hilfe kommt teilweise nicht an

Die Konsequenz: Nur ein Teil der theoretisch zur Verfügung stehenden Lebensmittelhilfe kommt bei den bedürftigen Menschen wirklich an.

Eine der Betroffenen ist Abouni Fissato. An der Zentralmoschee von Bangui wartet die 55-Jährige auf ihre Lebensmittelration. Zu Beginn der Krise vor zwei Jahren hat sie ihre Familie verloren, musste aus ihrem Viertel fliehen und ist seitdem auf Hilfe angewiesen: "Anfangs waren die Hilfsgüter reichhaltiger. Wir bekamen Salz, Bohnen, Reis, manchmal Mais. In letzter Zeit werden die Mengen aber immer kleiner. Sie reichen einfach nicht mehr aus."

Die Beschwerden nähmen in letzter Zeit zu, bestätigt Ali Mahamat, Mitarbeiter einer Hilfsorganisation. Ein Teil der Hilfsmittel werde von Kriminellen abgezweigt: "Bei den Bedürftigen kommt manchmal nur einer statt zwei Litern Öl an. Statt fünf Stück Seife bekommen die Menschen nur drei."

Straßenszene in Bangui (Foto: Herve Serifio / Anadolu Agency)
Rund zwei Drittel der Zentralafrikaner sind auf Hilfe angewiesenBild: picture-alliance/AA/Herve Serifio

Nahrungsmittelgutscheine sollen helfen

Das Welternährungsprogramm hat jetzt ein Gutscheinprogramm ins Leben gerufen, das Abhilfe schaffen soll. Die Idee dahinter: Statt bloß Hilfsgüter in großen Mengen aus dem Ausland heranzuschaffen, sollen die vor Ort vorhandenen Lebensmittel gerecht verteilt werden. So kann weniger beim Transport abgezweigt werden. Das Gutscheinprogramm soll auch sicherstellen, dass die lokalen Produzenten und Händler wirtschaftlich an der Versorgung der Bedürftigen beteiligt werden. Eine "gewisse Normalität des Wirtschaftslebens" solle so entstehen, so WFP-Sprecherin Pätz. Das funktioniere aber nur in Teilen der Hauptstadt Bangui und an Orten, wo überhaupt Lebensmittel auf den Märkten angeboten würden. "Diese Gutscheine haben einen Wert von zehn US-Dollar - pro Mensch, pro Monat. Die Nahrungsmittel bekommen die Menschen direkt in den Geschäften vor Ort“, so Pätz. Reis, Öl und Linsen stelle das WFP weiterhin ohne Gutschein zur Verfügung.

Französische Soldaten in der Hauptstadt Bangui(Foto: Getty Images)
Französische Soldaten in der Hauptstadt BanguiBild: AFP/Getty Images/P. Pabandji

Reporter Thierry Khondé, der für die DW aus Bangui berichtet, bekommt viel Kritik am Coupon-System zu hören. Viele beschweren sich, dass der Wert der Gutscheine viel zu niedrig sei. Außerdem würden Hilfsorganisationen und Händler eine Vorauswahl darüber treffen, welche Lebensmittel gegen Gutscheine ausgegeben werden dürften. Damit werde den Menschen ein Stück Entscheidungsfreiheit genommen.

Ismael Oumar, Betreiber eines Lebensmittelgeschäfts in Bangui, bestätigt, dass er nur wenige Produkte im Tausch gegen Coupons ausgeben dürfe: "Ein Liter Öl, ein Kilo Zucker, ein Kilo Reis und zwei Stück Seife."

EU bietet Hilfe an

Bei der Brüsseler Geberkonferenz, an der Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza am Dienstag unter anderen mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini zusammentraf, bot die EU weitere Hilfe bei der wirtschaftlichen und politischen Stabilisierung des Landes an. Im laufenden Jahr sollen mehr als 100 Millionen Euro von Europa in die Zentralafrikanische Republik fließen.

Entwicklungsminister Müller im März 2014 Bangui (Foto: dpa)
Entwicklungsminister Müller im März 2014 BanguiBild: picture-alliance/dpa

Die EU ist der mit Abstand wichtigste Geldgeber für das Land, das dringend auf Auslandshilfe angewiesen ist. Von Brüssel erwartet Bangui nicht nur Nothilfe für die Ernährung und Rückführung von Hunderttausenden Flüchtlingen, sondern auch Geld für die Vorbereitung von Wahlen sowie für die Entwaffnung der Milizen und ihre Integration in die Zivilgesellschaft.

Mitarbeit: Thierry Khondé