Wie ein Elefantenbaby eine Künstlerin inspirierte
11. August 2022Im Januar 2013 entdeckte die malaysische Künstlerin Christine Das auf Facebook einen alarmierenden Post: Er zeigte das Bild eines Elefantenbabys, das seinen Rüssel nach seiner toten Mutter ausstreckte. "Die Schlagzeile lautete etwa so: Er hat versucht, sie wach zu kitzeln", erinnert sie sich.
Es stellte sich heraus, dass dieser kleine Elefant der einzige Überlebende einer Herde von seltenen Borneo-Zwergelefanten war, die vermutlich an einer Vergiftung gestorben waren. Das Kalb hatte nur überlebt, weil es von seiner Mutter gesäugt worden war und daher das Gift nicht unmittelbar zu sich genommen hatte. Das Ganze passierte in der Nähe einer Ölpalmenplantage im ostmalaysischen Bundesstaat Sabah, an der Nordostspitze der Insel Borneo.
Die vom Aussterben bedrohten Zwergelefanten kommen nur dort vor. Sie sind kleiner und pummeliger als andere asiatische Elefanten und werden vom World Wide Fund For Nature (WWF) auf weniger als 1.500 Tiere in freier Wildbahn geschätzt.
Dieses Bild von "Little Joe" - so wurde der kleine Elefant von den Medien getauft - ging um die Welt und hat die Künstlerin Christine Das nachhaltig beeindruckt.
"Es traf mich so, wie wenn jemand stirbt, den man wirklich liebt. Man trauert. Genau das habe ich durchgemacht. Dabei war es einfach nur ein Bild," sagte sie der DW.
Ein neues Ziel
Christine Das hatte bereits in den Jahren einen persönlichen Transformationsprozess durchlaufen. Während einer Midlife-Crisis im Alter von 40 Jahren mit der großen Frage "Warum bin ich hier?" kündigte sie ihren Job als Grafikdesignerin in einer Medienagentur und widmete sich der Malerei.
Nachdem sie das Bild von Little Joe sah, begann sie, über das Schicksal der Elefanten zu recherchieren und war schockiert darüber, wie stark diese Tiere bedroht sind.
Der WWF schreibt auf seiner Homepage: "Die Wilderei kostet allein in Afrika jährlich bis zu 20.000 Elefanten das Leben." Hauptgrund sei seit Jahrtausenden die Jagd nach Elfenbein. Zudem mache die menschliche Bevölkerung den Elefanten den Lebensraum streitig. "Doch wo es eng wird, steigt die Gefahr von Mensch-Tier-Konflikten, die sowohl Mensch als auch Tier zum Verhängnis werden können."
Ein Beispiel: Wenn Elefantenherden Ernten zertrümmern und Dörfer überrennen, lautet die Antwort der Bauern und Dorfbewohner: Die Tiere werden mit vergifteten Ananas oder Bananen gefüttert.
Die Ironie dabei ist, dass der Elefant in verschiedenen Kulturen als Symbol des Glücks, des Wohlstands und als Bekämpfer des Bösen gilt. Er wird für seine Intelligenz, sein Gedächtnis und seine Lebenskraft verehrt. In Indien sind unzählige Tempel dem elefantenköpfigen Hindu-Gott Ganesha gewidmet, der laut Encyclopaedia Britannica "der Schutzpatron der Intellektuellen, Bankiers, Schreiber und Autoren ist".
"Ohne Elefanten werden die Wälder krank"
Für Christine Das sind die sanften Riesen jedoch aus anderen Gründen zu ihren Lieblingsmotiven geworden: "Ich sehe Elefanten nicht als spirituelle oder religiöse Symbole, sondern als majestätische Geschöpfe - und als Beschützer des Waldes", sagt sie und fügt hinzu, dass sie zudem gute Gärtner seien. "Der Elefant ist unsere Lebensader, denn ohne ihn werden die Wälder krank", betonte sie.
Die Tiere gelten als "Öko-Ingenieure", da sie den Boden düngen und Wasserlöcher graben. Außerdem können sie große Entfernungen zurücklegen und auf diese Weise Samen und Baumsetzlinge verbreiten, die das Waldwachstum fördern.
Inspiriert von diesen großartigen Kreaturen, beschloss Christine Das, einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf ihrer Gemälde in den Kauf von Setzlingen für die Wiederaufforstung zu stecken. Und das macht sie nun selbst zu einer "Öko-Ingenieurin".
In Zusammenarbeit mit dem WWF Malaysia hat Das auch T-Shirts mit ihren charakteristischen Elefantenmotiven gestaltet. Deren Verkaufserlös fließt vollständig in den Schutz der Elefanten.
Welt-Elefantentag
Der Welt-Elefantentag (WED) wurde am 12. August 2012 von den kanadischen Filmemachern Patricia Sims und Michael Clark sowie Sivaporn Dardarananda von der thailändischen Stiftung für die Wiederansiedlung von Elefanten ins Leben gerufen, um "auf die dringende Notlage der asiatischen und afrikanischen Elefanten aufmerksam zu machen".
Auf der WED-Website heißt es: "Die Zahl der Elefanten ist in den letzten zehn Jahren um 62 % zurückgegangen, und bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts könnten sie weitgehend ausgerottet sein."
Seitdem finden sich über 100 Tier- und Artenschutzorganisationen und unzählige Einzelpersonen an diesem Tag zusammen, um sich mit Schutzkampagnen, Programmen und Veranstaltungen auf der ganzen Welt für die Elefanten einzusetzen.
Emotionale Begegnung mit Little Joe
Im September 2013 hatte Christine Das die Gelegenheit, ihre "Muse", das kleine Elefantenkind Little Joe, in einer Auffangstation zu treffen.
Über den Moment, als er aus seinem Gehege kam, sagt sie: "Ich habe mich auf den ersten Blick in ihn verliebt. Er kam auf mich zu, obwohl viele andere mit mir dort waren. Er ergriff meine Hand mit seinem kleinen Rüssel, als wollte er 'Hallo' sagen. Dann hat er mich irgendwie an den Haaren gezogen und ich habe es geschafft, ihn auf die Stirn zu küssen. Ich kann es nicht in Worte fassen, was ich da gefühlt habe."
Heute bietet Christine Das pädagogische Kunstworkshops mit dem Titel "So Wild" an. In Zusammenarbeit mit Sponsoren und Zoos leitet sie Kurse für Erwachsene und Kinder, in denen die Teilnehmenden Elefanten- oder Tigerskulpturen erhalten, die sie selbst bemalen und gestalten können. Dabei lernen sie etwas über die Tiere und was sie zu ihrem Schutz beitragen können.
"Little Joe hat mich für immer verändert. Er hat mir einen Teil meiner Seele geöffnet, von dem ich nicht wusste, dass er existiert. Ich möchte im Rahmen meiner Möglichkeiten und meiner Kunst alles tun, um die Wildtiere so zu schützen, wie ich meine Familie schützen würde."
Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch